Der an der Uhr dreht Der an der Uhr dreht: Wieso Rainer Ritschel so viele Regulatoren in der Werkstatt hat

Osterfeld - Wenn an diesem Wochenende die Uhren in der Nacht zu Sonntag um eine Stunde zurückgestellt werden, dann muss auch Rainer Ritschel aus Osterfeld an den Zeigern drehen. Allerdings erledigt der Uhrmacher die Umstellung der Zeitmesser vor allem in seinen privaten Räumen. Denn er und Ehefrau Heidrun besitzen keine Funkuhren, die die Zeit selbstständig regulieren.
Bei den Uhren in seiner Werkstatt bleibt es erst einmal bei der Sommerzeit, schließlich wird bei einigen der reparierten Zeitmesser gerade deren Funktionstüchtigkeit getestet. „Bei alten Regulatoren mit Schlagwerk sollte man die Uhr nie einfach zurück drehen, weil das Schlagwerk beschädigt werden oder Zähne ausbrechen könnten“, rät Rainer Ritschel. Bei diesen Uhren könne man nur im Vorwärtsgang die Zeit verstellen und müsste dabei den Rhythmus des Schlagwerks beachten oder aber das Pendel anhalten. Ohne Schlagwerk sei das Verstellen der Uhren jedoch auch rückwärts kein Problem.
Rainer Ritschel weiß wovon er spricht, schließlich arbeitet der 78-Jährige seit Jahrzehnten als Uhrmacher. „Eigentlich könnte ich längst in Rente gehen, aber mir macht die Arbeit einfach noch Spaß, und es ist immer wieder toll, wenn ich es geschafft habe, eine Uhr wieder zum Laufen zu bringen“, sagt Ritschel. Dabei war die Uhrmacherei gar nicht der erste Beruf des Osterfelders, der im Alter von drei Jahren 1945 mit seinen Eltern als Umsiedler aus dem Tschechischen nach Osterfeld gekommen war.
Seine Leidenschaft galt der Musik und so studierte er diese in Halle, erlernte dort das Waldhorn und arbeitete jahrelang am Theater in Wittenberg. Weil aber Theatermusiker zu DDR-Zeiten eher schlecht verdienten, ihn aber auch Uhren und Mechanik interessierten, sattelte Rainer Ritschel Anfang der 1970er Jahre um. Zumal Ehefrau Heidrun aus einer Uhrmacherfamilie stammte.
Der Urgroßvater von Heidrun Ritschel gründete 1894 den Betrieb in Osterfeld, gab ihn an seine Tochter und den Schwiegersohn weiter, die wiederum dem Sohn - Heidrun Ritschels Vater - den Betrieb überschrieben. Weil die heute 73-Jährige die einzige Tochter war, blieb ihr damals kaum eine Wahl, und so führte sie die Familientradition weiter und wurde selbst Uhrmacherin. Rainer Ritschel ließ sich vom Schwiegervater in die Finessen des Handwerks rund um die Zeit einführen und arbeitete später im Betrieb mit. Vor 30 Jahren übernahmen er und Ehefrau Heidrun den Betrieb und führen seither in der Osterfelder Rinnegasse einen Geschenkeladen mit angeschlossener Uhrenwerkstatt.
„Früher haben wir zu dritt in der Werkstatt gesessen und Uhren repariert, manchmal konnten wir vor Arbeit kaum hochsehen“, sagt er. Sogar bei der Reparatur der Turmuhr der Osterfelder Lutherkirche in den 1970er Jahren war er dabei. Damals sei das sogenannte Hemmungsrad beschädigt gewesen und hätte nur noch drei Zähne gehabt. Eine Leipziger Firma musste ein neues Rad gießen, das vom Osterfelder Familienunternehmen eingebaut wurde. Gerade einmal 150 Mark habe das Ganze damals gekostet.
Corona-Krise bringt viele alte Uhren ans Tageslicht
Heute hat sich vieles gewandelt. Immer seltener werden Uhren zur Reparatur gebracht. Es sei denn von Sammlern oder Leuten, die alte Zeitmesser auf dem Trödelmarkt erstanden haben. „Allerdings scheinen jetzt in der Corona-Zeit viele ihre Böden aufgeräumt zu haben, denn ich hatte noch nie so viele alte Regulatoren in meiner Werkstatt“, sagt Rainer Ritschel. Es habe sich wohl herumgesprochen, dass es in Osterfeld noch einen Uhrmacher gibt, der auch bei den ältesten Uhren versucht, sie zum Laufen zu bringen.
Derzeit beschäftigen den Osterfelder unter anderem Taschenuhren aus den 1920er und 1930er Jahren, die Sammler aus Leipzig vorbei gebracht haben. Doch auch wenn Rainer Ritschel viele Ersatzteile gesammelt hat, manchmal ist auch er machtlos. „Wenn die Unruhe kaputt oder etwas abgebrochen ist, sieht es schlecht aus. Wenn es darum geht, die Uhr zu reinigen oder Federn zu ersetzen, da ist vieles machbar“, berichtet er. Denn Ersatzteile seien rar.
Und was hält der Uhrmacher von der Umstellung auf die Winterzeit? „Ich habe zwar keine Probleme mit der Zeitumstellung, aber dieser regelmäßige Wechsel müsste nicht sein. Jetzt ist es abends ganz plötzlich so zeitig wieder dunkel, und das ist nicht schön“, sagt er. (mz)


