Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Skandal in der Heimschule
DROYSSIG/MZ. - Jugendliche wegen ihrer Religion von der Schule auszuschließen ist für Christophe Carenac-Lecomte, Christoph Müller, Sebastian Groß und André Fiedelak ein Skandal. Daher möchten die Gymnasiasten von der Christophorusschule Droyßig keinesfalls mit Schülern tauschen, die in den 1950er Jahren die Landesheimschule Droyßig besuchten, wo Hans Simon 1953 gehen musste. Der 17-Jährige war Mitglied in der "Jungen Gemeinde" und wurde durch einen Beschluss der Vollversammlung von der Schule verwiesen.
Die Junge Gemeinde sei eine Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage im USA-Auftrag. Simon habe sich für ein paar Leckerbissen kaufen lassen, "um dafür offene Boykotthetze gegen unserer Republik zu leisten", berichtete die örtliche Presse über das Ereignis. Die vier Jungen aus der siebenten Klasse arbeiteten das Ganze auf. "Schulausschluss 1953 - ein Skandal, nicht nur in Droyßig" betitelten sie ihrer Arbeit, die schon wissenschaftlichen Charakter trägt, was für Siebentklässler schon als besondere Leistung zu werten ist. Mit der Arbeit beteiligt sich das Quartett am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2010 / 11. Die Ausschreibung dafür erfolgte unter dem Thema "Ärgernis, Skandale, Empörung: Skandale in der Geschichte". Das Stichwort Skandale rief bei den Schülern großes Interesse hervor. Ein Skandal ist ein Geschehen, das große Empörung hervorruft, fanden sie heraus. Spontan fiel ihnen der Mauerbau, der Mauerfall und die Staatssicherheit ein. Viele Ideen wurde zusammengetragen, ausgewertet und wieder verworfen. "Wir wollten über etwas schreiben, was sich in der näheren Umgebung oder vielleicht sogar in unserer Schule abgespielt hat", erzählt die Gruppe, die von Geschichtslehrerin Ines Schneider zur Teilnahme an dem Wettbewerb motiviert wurde.
Sie machte die Schüler auch auf die Broschüre "Landesheimschule Droyßig" aufmerksam. Von 1947 bis 1956 war das Christophorusgymnasiums eine Landesheimschule, in der Schüler von der neunten bis zwölften Klasse lernten und das Abitur ablegten. Beim Lesen des Heftes stießen die Gymnasiasten auf die Geschichte von Hans Simon und nahmen mit dem im April 1953 ausgeschlossenen Schüler Kontakt auf. Simon lebt zusammen mit seiner Frau Barbara, die ebenfalls in Droyßig lernte und in der Jungen Gemeinde war, in Berlin. Im Juni 1953 wurde Simons Schulausschluss rückgängig gemacht. Er wollte aber die Schule in Droyßig nie wieder sehen, schreibt die Gruppe in ihrer Arbeit. Nach dem Rauswurf besuchte er das Kirchliche Oberseminar in Potsdam-Hermannswerder (kirchliches Gymnasium), studierte an der kirchlichen Hochschule in Berlin-Zehlendorf und wurde Pfarrer der Zionsgemeinde Berlin. Auch andere Zeitzeugen machten die vier Schüler ausfindig. Es wurde telefoniert und übers Internet kommuniziert. Sebastian Groß sah sich mit seinen Eltern im DDR-Museum um. Dabei war er so fasziniert, dass er im Nachgang einen Brief an den Museumsdirektor schrieb, der dem Gymnasiasten Material schickte. "Ich habe den historischen Hintergrund für die Arbeit geschrieben", erzählt der Zwölfährige. Das geschichtsbegeisterte Quartett kann stolz auf seine Arbeit blicken.
"Die Arbeit ist fast wie ein Buch", sagt Christoph Müller. Er und die anderen haben durch die Recherchen in Archiven und durch die Gespräche mit den Zeitzeugen viel Interessantes über die DDR erfahren. Jetzt freuen sich die Schüler, dass das Werk nicht einfach in der Schublade verschwindet. Es wird der Öffentlichkeit zugängig gemacht und in der Schulbibliothek ausgelegt wird. Ganz im Geheimen hofft die Gruppe, dass sie beim Bundeswettbewerb nicht leer ausgeht. 2007 hatte sich ein Team der Christophorusschule mit seiner Arbeit zur Historie über die Droyßiger Bildungsanstalt einen dritten Platz erkämpft. Es war der einzige Preisträger Sachsen-Anhalts.