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Bomben und Panzer zum Kriegsende Bomben und Panzer zum Kriegsende: Was an jenen Tagen rund um Zeitz geschah.

08.05.2020, 05:00
Unaufhörlich rollten in den Apriltagen des Jahres 1945 die amerikanischen Panzer in die Städte und Dörfer. Am 13. April kamen sie nach Zeitz.
Unaufhörlich rollten in den Apriltagen des Jahres 1945 die amerikanischen Panzer in die Städte und Dörfer. Am 13. April kamen sie nach Zeitz. Archiv Maurer

Zeitz - Vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg auch in der Region Zeitz zu Ende. Am 31. März 1945, es war der Ostersamstag, gab es einen letzten schweren Bombenangriff. In kürzester Zeit wurden rund 2.000 Bomben im Gebiet abgeworfen. Am 12. April und an den folgenden Tagen kamen die Amerikaner.

Der Siegeszug der 76. US-Infanteriedivision durch Deutschland machte an den Toren von Zeitz nicht halt. Der leider bereits verstorbene Heimatforscher Rolf Zabel fasste bereits vor 25 Jahren die Ereignisse der letzten Kriegsmonate in und um Zeitz für die MZ zusammen. Hier noch einmal eine Zusammenfassung:

Luftangriffe

Erdrückend waren schon ab 1944 die pausenlosen Luftangriffe der alliierten Bomberflotten auf den mitteldeutschen Raum. War man bis Mai 1944 in Zeitz gewohnt, dass die Bomberströme die Stadt nur überflogen, kam es zum ersten verheerenden Tagesangriff der Amerikaner am 12. Mai 1944 auf die Brabag, welcher die Treibstoffproduktion erst einmal stilllegte.

Ein weiterer schwerer Tagesangriff am 28. Mai 1944 (Pfingsten) war ebenfalls von großer Wucht und fügte dem Werk schwerste Schäden zu. Insgesamt waren zwei Drittel der synthetischen Treibstoffproduktion bis Juni 1944 zurückgegangen. Bei diesen Angriffen entstanden in den umliegenden Dörfern schwere Gebäudeschäden, wo es viele Tote und Verletzte zu beklagen gab.

Tagesangriff am 16. August 1944 auf die Brabag

Bei einem weiteren Tagesangriff am 16. August 1944 auf die Brabag fielen erste Bomben auf die Zeitzer Unterstadt. In der Badstubenvorstadt wurden sechs Wohnhäuser zerstört, und es waren zwölf Tote zu beklagen. Die Folge war, dass für 54 Obdachlose Wohnungen geschaffen werden mussten. Das damalige Städtische Gaswerk in der Badstubenvorstadt hatte als erster Wirtschaftsbetrieb in der Stadt Totalschaden erlitten.

Heftiger war der direkte Angriff auf unsere Stadt und Umgebung, der vom 30. November 1944, wo in Zeitz ein Totalschaden von 64 Wohnhäusern entstand und weitere 36 Wohngebäude beschädigt wurden. Insgesamt 222 Wohnungen wurden zerstört, was zu 855 Obdachlosen führte. Bei dem Angriff wurden 138 Todesopfer beklagt, davon 76 in der Stadt Zeitz. Weiter waren elf Schwer- und 34 Leichtverletzte zu beklagen. Es wurden bei dem Angriff in Zeitz vier öffentliche Gebäude und 17 Wirtschaftsgebäude zerstört. Das Rathaus erlitt am Süd- und Westflügel Zerstörungen, und der gesamte Verwaltungsapparat zog bis März 1945 in die Schule Altenburger Straße um.

Zerstört wurden auch das ehemalige Hallenbad und Sommerbad

Unter den schweren Zerstörungen waren auch das ehemalige Hallenbad und Sommerbad, wo 15 Bombenvolltreffer zu verzeichnen waren. Besonders schwere Nachtangriffe der Briten auf Brabag und den Raum Meuselwitz am 16. und 20. Januar 1945 richteten in den umliegenden Dörfern teils verheerende Schäden an Wohngebäuden an, und die Zivilbevölkerung hatte hier hohe Verluste zu beklagen.

Kein Mensch glaubte im April 1945 mehr an die Durchhalteparolen, welche immer noch durch Radio und die damalige Zeitung „Zeitzer Tageblatt“ auf die Menschen einwirken sollten. Die Luftangriffe bei Tage durch die Amerikaner und des Nachts durch die Engländer rissen nicht ab. Auf dem Lande aber, wie zum Beispiel bei Frauenhain, hatte trotz der kritischen Zeit die Frühjahrsbestellung begonnen. Das Saatbett für die Aussaat wurde vorbereitet, und Frauen legten die ersten Saatkartoffeln in den Boden.

Routinearbeit draußen auf dem Lande

Eine immerwährende Routinearbeit draußen auf dem Lande zu dieser Jahreszeit. Die Witterung erlaubte es in diesem Jahre, aber der Blick der Feldarbeiter richtete sich mehr hinauf gen Himmel, als bei der Sache unten am Erdboden zu bleiben. Die Jabos (Jagdbomber) der Amis tauchten plötzlich am Himmel auf und beschossen alles, was sich irgendwie am Erdboden bewegte. Da hieß es äußerste Vorsicht walten zu lassen und bei Gefahr schnellstens in Deckung zu gehen, denn jede Bewegung konnte zum Verhängnis werden.

Auf der Geraer Landstraße herrschte in diesen Tagen ein reger Verkehr durch Wehrmachtsfahrzeuge, und diese zogen förmlich die Jabos an. Es war der 12. April, ein Donnerstag. Am Tage war es schlimm geworden mit den Tieffliegerangriffen auf der Geraer Landstraße, wo die Jabos ein Militärfahrzeug der Wehrmacht nach dem anderen auf ihrem Rückzugswege in Brand schossen hatten. Doch in den Mittagsstunden dieses Tages ging es auf einmal von Mund zu Mund: „Die Amerikaner stehen zwölf Kilometer vor Zeitz.“

„Das haben unsere Feinde mit uns vor“

Regionalhistoriker Petrik Wittwika schildert die dann folgenden Tage in Zeitz: Am 12. April 1945 war die letzte Ausgabe vom „Zeitzer Tageblatt“ mit der düsteren Botschaft „Das haben unsere Feinde mit uns vor“ erschienen. Die Prognose, dass „jeder Deutsche ein hungernder Fronarbeiter“ werden würde sollte sich einmal mehr als Gräuelpropaganda erweisen.

Bereits in den Morgenstunden des 13. April 1945 war deutlich das Panzerrrollen der US-Army vor den Toren der Elsterstadt zu vernehmen. Die Stadt und ihre Umgebung standen unter Beschuss, deutsche Flakstellungen waren in Aktion. Durch die Existenz des Benzinwerkes der Brabag in Tröglitz war den Amerikanern die militärstrategische Bedeutung der Region bekannt.

Gegen drei Uhr am frühen Morgen sprengte die Wehrmacht die Zeitzer Unter- und Oberstadt verbindenden Brücken über die Weiße Elster, um das weitere Vordringen der Amerikaner aufzuhalten, was jedoch völlig absurd war, da diese Maßnahme überhaupt nicht verhindern konnte, die Weiße Elster zwischen Feuerwehrgerätehaus und Hotel Löffler zu durchfahren, um bald darauf in der Wasservorstadt präsent zu sein.

Mitten durch die Stadt

Bewaffnete Polizei hatte im Rathaus am Altmarkt nach allen Seiten Stellung bezogen. Viel größer als die Kampfbegeisterung war das Arsenal der dort lagernden Panzerfäuste, Handgranaten und Maschinengewehre. Die ersten weißen Fahnen wurden nach Augenzeugenberichten in Nähe der Zuckerfabrik gehisst. Am Nachmittag fuhr die erste Panzereinheit durch die Straßen von Zeitz; über die steile Rahnestraße erreichten die Panzer das Rathaus, das kampflos besetzt wurde.

Aber Widerstand gab es dennoch. Dieser wurde nicht nur aus den Kasernen am Rand der Stadt geleistet. Obwohl die Amerikaner bei ihrem Vordringen die Teile der Stadt Stück für Stück besetzten, beschoss u.a. eine Einheit ukrainischer Soldaten in der Oberstadt, die auf deutscher Seite militärische Dienst leisteten, von der Vater-Jahn-Turnhalle aus amerikanische Panzer, die die Hindenburg-Promenade hochfuhren. Doch nach einigen Granatschüssen ergaben sich die Besetzer der Turnhalle.

Auch eine Panzersperre in der Stephansstraße stellte kein Hindernis mehr dar und wurde umfahren. An diesem denkwürdigen Tag gerieten zahlreiche Zivilisten in die Kampfhandlungen im Stadtgebiet und verloren ihr Leben. Die Flakstellungen südlich von Zeitz und die Besatzung der Kasernen leisteten noch bis zum 15. April 1945 mitunter heftigen Widerstand.(mz/and)

Über 60 Häuser waren in Zeitz zu Kriegsende unbewohnbar.
Über 60 Häuser waren in Zeitz zu Kriegsende unbewohnbar.
Archiv Wittwika