Aktivisten-Camp in Kretzschau Aktivisten-Camp in Kretzschau: Die Zeltstadt am See wächst und will Gutes für Zeitz erreichen

Kretzschau - Geht man im Kretzschauer Strandbad gleich nach dem Eingang nach links, steht man vor einer Holzhütte - die Tausch-Bar oder auch Ess- und Teil-Bar. Daneben ist ein Zaun und dahinter sind eine Hand voll Zelte und allerhand zu entdecken. Das ist die neu entstandene freie Zeltstadt Zeitz. „Das soll das Basislager werden“, erklärt Dietrich „Olli“ Becker. Vor zehn Jahren ist der junge Mann aus Zeitz abgehauen, wie er selbst sagt, aber hat seine Heimat immer im Hinterkopf gehabt. „Mensch, daraus muss man doch was machen können.
Der viele Leerstand, die vielen Arbeitslosen“, dachte er sich und so begannen die Visionen in seinem Kopf zu explodieren. Auf seiner Reise fernab von Zeitz wurde er Zimmermann und machte eine Ausbildung zum Yoga-Lehrer. Alles sehr naturverbunden und esoterisch. „Aus der Stadt kann man etwas machen, aber dazu müssen die Zeitzer lernen, sich als Gemeinschaft zu sehen und in dieser auch was tun“, regt er seine Mitbürger zum Nachdenken an. Er selbst lebte in verschiedenen Aktivisten-Camps. Als Aktivist wird eine Person bezeichnet, die in besonders intensiver Weise, mit Aktivismus, für die Durchsetzung bestimmter Ziele eintritt. Oft sind dies im weitesten Sinn politische Ziele, insbesondere aus den Bereichen der Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialpolitik sowie der Bürger- und Menschenrechte. Doch hier in Kretzschau geht es um etwas anderes. Autarkie wird hier ganz groß geschrieben. Lebensmittelerhaltung oder gar deren Rettung ist das Hauptthema. Alles soll irgendwie aus eigenen Ressourcen selbst erzeugt werden. Obst wird geerntet, zu Saft oder Brotaufstrich verarbeitet.
"Die Natur bietet uns so viel"
Aus Baumrinden und Zweigen werden Körbe geflochten, aus Brennnesseln wird Tee gemacht und so weiter. „Die Natur bietet uns so viel, wovon wir satt werden und leben können“, erklärt Becker und erhält Zustimmung eines weiteren Camp-Bewohners. Frank, der in Wirklichkeit Ralf heißt, ist ebenfalls ein Basismitglied. Er selbst kommt aus Mecklenburg-Vorpommern, seine Oma ist gebürtige Zeitzerin. „Vor zwei Jahren war Oma zum Klassentreffen in ihrer Heimatstadt und kam sehr traurig zurück. Der Leerstand und der Zerfall haben sie fast zum Weinen gebracht“, erinnert sich Frank, der gerade einen frischen Kaffee brüht - ohne Kaffeemaschine - ganz altbacken. Da er seine Oma nicht gern traurig sieht, wollte er sofort mit anpacken in der Zeltstadt. Nun stehen die Aktivisten in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, wollen erreichen, dass der Leerstand langsam schwindet, machen Vorschläge und tüfteln an Projekten, ihn zu verringern.
„Erste Erfolge haben wir bereits“, so Becker. Seit ein paar Wochen ist Mirjam, deren Camp-Name Ronja ist, mit in der Zeltstadt. Nach einigen Unterredungen mit der Verwaltung bot sich eine Vermieterin an, die junge Dame aus Hannover auf Selbstkosten in einer ihrer Objekte wohnen zu lassen. „Das heißt, ich zahle nur die reinen Nebenkosten. Das verhindert, dass wieder eine Wohnung leer steht und mir ist auch geholfen“, sagt Ronja.
Im Moment sind die Aktivisten etwa zu zehnt in der Zeltstadt am Kretzschauer See, doch es ist ein ständiges Kommen und Gehen. „Willkommen ist jeder. Wir wollen ihnen ein Stück näherbringen, wie wichtig Zusammenhalt und Gesellschaft ist“, sagt Ronja. „Die Menschen können uns beim Ernten helfen, mit uns gemeinsam leben oder sich einfach nur informieren“, fügt Becker hinzu.
Für Informationen steht Dietrich Becker unter der Rufnummer 0157/32 74 93 09 zur Verfügung. (mz)