100 Jahre Volksbad in Zeitz
Zeitz/MZ. - Um 1900 machten sich Mediziner besonders für die Körperhygiene der einfachen Bürger stark. Sie propagierten, wie wichtig es sei, sich regelmäßig zu waschen. Da in den meisten Arbeiterwohnungen damals aber kein Bad vorhanden war, wurden in Deutschland ab Ende des 19. Jahrhunderts in etlichen Städten so genannte Volksbäder errichtet.
1899 gründete der in Berlin wirkende Dermatologe und Sozialreformer Oskar Lassar (1849 - 1907) die "Deutsche Gesellschaft für Volksbäder", die eine hygienische Grundversorgung für die unteren Bevölkerungsschichten zum Ziel hatte. Lassars Motto war "Jedem Deutschen ein Bad pro Woche".
In Zeitz wurde dank einer Stiftung des Kommerzienrates Albin Naether ein solches Volksbad am 14. November 1906 eröffnet. Mit der Entwurfsbearbeitung und der Bauleitung war der Stadtbaurat Emil Paul Laumer (1866 - 1940) aus Quedlinburg betraut worden, welcher die ehrgeizige Idee verfolgte, mit dem Bau der Quedlinburger Badeanstalt im Jahre 1903 ein Musterbeispiel für deutsche Städte gleicher Größe zu schaffen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Fotos der Innenausstattung des Quedlinburger und des Zeitzer Bades zum Verwechseln ähnlich sind.
Bereits am 17. April 1906 - die Bauarbeiten waren noch im vollen Gange - erließ der Magistrat der Stadt Zeitz eine "Haus- und Badeordnung für das Albin Naether'sche Volksbad". In ihr sind auch die Preise für Schwimmbad, Wannenbäder, Dampf- und römisch-irische Bäder, Heilbäder und Brausebäder aufgeführt. Ein Brausebad - einschließlich Seife - von maximal 30 Minuten Dauer kostete beispielsweise zehn Pfennige, die 40-minütige Benutzung des Schwimmbades 40 Pfennige. Ein Kilogramm Staßfurter Badesalz bekam man zu jener Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts für zehn Pfennige.
Einkommen der Bürger
Dank der im Museum Schloss Moritzburg bewahrten Haushaltsbücher der Stadt Zeitz kann man heute noch nachvollziehen, welche Einkommen die Bürger zu jener Zeit hatten. Der Schwimmmeister - in späteren Jahren war es eine Schwimmmeisterin - verdiente 125 Mark im Monat, die Kassiererin 60 Mark pro Monat und eine Aufwartefrau, also eine Putzfrau, ganze 1,50 Mark pro Tag.
Das Volksbad trug seinen Namen zu Recht. Das zeigt ein Blick auf die Besucherzahlen. Denn die besagen, dass im ersten Jahr nach der Öffnung einschließlich der beiden Monate des Jahres 1906 das Volksbad 9 874 Besucher zählte. Ein Jahr später hatte sich die Besucherzahl vervielfacht. 1907 / 1908 waren es schon 65 315.
Zwei Jahre nach der Eröffnung musste wegen Kapazitätsmangels ein zweites Dampfbad eingebaut werden. Allein am 19. April 1919 wurden 1 518 Badekarten verkauft, davon 616 für die beliebten, weil preiswerten Brausebäder. So jedenfalls steht es in einer Mitteilung des "Zeitzer Anzeigers" vom 25. April 1919. Das Zeitzer Volksbad war auch Mitglied der "Deutschen Gesellschaft für Volksbäder". Zehn Mark überwies die Stadt Zeitz dafür jährlich nach Berlin.
100 Jahre nach seiner Fertigstellung und Eröffnung steht das Gebäude in der Freiligrathstraße 28 seit zehn Jahren leer und verfällt zusehends. Teile des heute denkmalgeschützten Hauses wurden bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört. Im Jahr 2000 sollte das Objekt von der Stadt für ein Mindestgebot von 330 000 Mark verkauft werden. Aber es fand sich kein Käufer.
(Der Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung des Museum Schloss Moritzburg und von Hubertus Laumer aus Quedlinburg.)