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Wohnen in Wittenberg Wohnen in Wittenberg: Genossenschaft macht mobil

Von Irina Steinmann 22.01.2016, 16:54
Gerhard Schmelke ist viel mit dem Rad unterwegs und findet die Abstell-Boxen, hier vor dem WBG-Haus Lerchenbergstraße 80, gut.
Gerhard Schmelke ist viel mit dem Rad unterwegs und findet die Abstell-Boxen, hier vor dem WBG-Haus Lerchenbergstraße 80, gut. thomas klitzsch Lizenz

Wittenberg - Die Stadt wird älter, die Mieter werden älter und, irgendwann, kommt für fast alle auch der Abschied vom eigenen Auto. Oder sie hatten nie eins. Sind nicht gut zu Fuß und der Bus... „Der ÖPNV ist in Wittenberg nicht der Oberhammer“, sagt Dirk Scheller. Kann man so sagen. Die Wittenberger Wohnungsbaugenossenschaft (WBG), deren Vorstand Scheller ist, kümmert sich seit geraumer Zeit und in wohl verstandenem Eigeninteresse um die Mobilität ihrer Mitglieder, bei denen es sich mehrheitlich um ältere Semester handelt.

Die Wohnungsbaugenossenschaft Wittenberg hat Bestände in Wittenberg West (761 Wohnungen), im „Neubaugebiet“ zwischen Schillerstraße und Lerchenberg sowie im Bereich Ernst-Kamieth-Straße nahe dem Hauptbahnhof (111), alles in allem etwa 2 800 Wohnungen. Vor allem in West, wo in den 1950ern gebaut wurde, sind die Mitglieder beziehungsweise Mieter mit den Häusern älter geworden und befinden sich nun im Rentenalter. Bereits 2014 lag der Anteil der WBG-Mitglieder, die die 60 überschritten haben, insgesamt bei gut der Hälfte (52 Prozent). Angebote wie jetzt der Fahrdienst, aber auch Maßnahmen zu barrierefreiem Wohnen sowie etwa Internet-Kurse dienen der Verbesserung - und Verlängerung - der Mietverhältnisse.

Jüngstes Beispiel: ein Fahrdienst. Voraussichtlich noch in der ersten Februarhälfte, so Scheller, wird sich der bereits erworbene Kleinbus erstmals in Bewegung setzen, um Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit zunächst zum Arzt zu fahren, später seien auch weitere Nutzungen möglich, etwa die Etablierung einer „Einkaufslinie“. Sechs Freiwillige stehen bereit, ihre Genossen mobil zu machen. Für die Nutzer soll das Angebot - gefahren wird an zwei festen Tagen pro Woche - kostenlos sein, die Fahrer erhalten eine Aufwandsentschädigung der Genossenschaft. Das juristische Konstrukt ist Scheller zufolge noch nicht ganz ausgereift - darf es, wie erhofft, unter „genossenschaftlicher Selbsthilfe“ laufen oder aber ist Mindestlohn fällig? Fest stehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber: Der Fahrdienst wird kommen, so oder so. Mit der Bequemlichkeit eines professionellen Beförderungsunternehmens, stellt Scheller klar, habe der neue Service für die WBG-Mitglieder nichts zu tun. „Wer den Anspruch hat, dass da ein Taxi kommt, der wird enttäuscht sein.“ So werden die Nutzer, die ihre gewünschte Fahrt spätestens einen Tag vorher in der Zentrale anmelden sollen, hie und da zeitlich flexibel sein müssen; dies gilt insbesondere für die - nicht vorab fixierten - Rückfahrten, die ja davon abhängen, wo der Bus gerade ist und mit wie vielen Passagieren er zu dem Zeitpunkt bereits besetzt ist.

In einer Mitgliederbefragung, die Scheller zufolge vor allem das Ziel hatte, mögliche Kritik herauszufinden, hatten 120 Wohnungsgenossenschaftler Interesse an einem solchen Fahrdienst gezeigt. Wie viele ihn tatsächlich nutzen werden und welche Modifikationen am System möglicherweise notwendig sind, werde man nach der mit etwa drei Monaten angesetzten Testphase wissen, so Scheller. Freilich fährt die WBG mit ihrem neuen Projekt nicht ins Blaue, bei der Vorbereitung des Fahrdienstes habe man unter anderem auf die Erfahrungen einer Wohnungsgesellschaft im niedersächsischen Osterode (Harz) zurückgegriffen.

Der Fahrdienst ist nicht das einzige Angebot, mit dem die WBG die Mobilität ihrer Mieter fördert. Seit einiger Zeit gibt es unter dem Titel „WBGmobil“ für die Mitglieder die Möglichkeit, sich für bestimmte Unternehmungen tageweise oder länger ein Auto zu leihen. Vier Pkw stehen zur Verfügung, für den Wochenendeinkauf oder eine mehrtägige Reise. Die Mischung aus Carsharing und Autoverleih - neben einem Vertragsabschluss fallen zeitabhängige Nutzungskosten an - könnte offenbar noch intensiver genutzt werden, allerdings erfreue sie sich bereits heute einer solchen Nachfrage, dass „WBGmobil“ auf jeden Fall fortgeführt werde; mehr als 50 Nutzer haben derzeit einen entsprechenden Vertrag. Kleine Crux für manchen: Die Wagen haben feste Standplätze, zwei an der Dessauer Straße, zwei im alten „Neubaugebiet“, da muss man also erstmal hinkommen.

Vielleicht ja mit dem Rad? Auch für Radfahrer hat die WBG bereits einiges getan und es auch in diesem Jahr vor: Fahrradgaragen gibt es inzwischen ziemlich flächendeckend in den WBG-Siedlungsgebieten. Damit trage man dem Sicherheitsbedürfnis Rechnung und natürlich auch der Tatsache, dass nicht jeder sein Rad über enge Stiegen in den Keller wuchten mag - zumal wenn’s ein Elektrorad ist. (mz)