1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Wittenberger Horst Zeiler: Wittenberger Horst Zeiler: Schuhe Schuhe Schuhe

Wittenberger Horst Zeiler Wittenberger Horst Zeiler: Schuhe Schuhe Schuhe

Von rainer schultz 28.01.2015, 09:41
Der 76-jährige Wittenberger Horst Zeiler ist Schuhmacher aus Leidenschaft.
Der 76-jährige Wittenberger Horst Zeiler ist Schuhmacher aus Leidenschaft. achim kuhn Lizenz

Wittenberg - Dem wohl berühmtesten Schumacher Deutschlands Hans Sachs (1494-1576) werden die Worte zugeschrieben „Verachtet mir die Meister nicht und ehrt mir ihre Kunst“. Richard Wagner vertonte einst diesen Stoff über den Nürnberger Schuhmacher und Poeten in seinen „Meistersängern“.

Ein Berufskollege jenes Hans Sachs ist der Wittenberger Horst Zeiler (76) – nicht so berühmt wie sein Nürnberger Kollege, dennoch eine lokale Größe als Schuhmacher. Wer ist schließlich schon 62 Jahre im selben Beruf tätig und damit mit Abstand der Dienstälteste seiner Zunft im Landkreis.

Bis 1870 wurden in Deutschland alle Schuhe ausschließlich von Hand gefertigt, für ein Paar benötigt man 30 bis 40 Arbeitsstunden. Mit der maschinellen Produktion wurden die Berufszahlen stark rückläufig. Gab es 2007 in Deutschland noch 3 492 Schuhmacherbetriebe, waren es 2013 nur noch 2 664. Die Ausbildung dauert drei Jahre, gegenwärtig erlernen 75 Azubis in Deutschland diesen Beruf. Der Sitz der Schuhmacherinnung für Mitteldeutschland (Halle, Leipzig und Brandenburg) befindet sich in Leipzig. Ein Schuhmuseum gibt es in der alten Schuhstadt Weißenfels.

In der Heubnerpassage in Wittenberg trifft man Horst Zeiler in seiner Werkstatt – freundlich, stets gut gelaunt und auf alle Kundenwünsche eingehend. Seine Biografie klingt wie so viele in diesem Land - Hitler und dem Krieg geschuldet. Aus Jesenice, der heutigen Tschechischen Republik stammend, mussten er und seine Familie 1946 als Sudetendeutsche auf Grund der Benes-Dekrete als Vergeltungsmaßnahme die Heimat verlassen. Es verschlug ihn nach Piesteritz, wo er die dortige Schule besuchte. Die Not war damals groß.

„Vater blieb im Krieg. Mutter musste für die kleine Familie aufkommen“, schildert Zeiler jene ersten Jahre. „Eigentlich bin ich ein Naturmensch. Beruflich wollte ich immer in den Forst oder die Landwirtschaft. Doch mein Lehrer gab mir den Tipp: Du bist geschickt. Erlerne lieber einen handwerklichen Beruf. Das beherzigte ich schließlich. Daraus wurde ein Schuhmacher.“ Bis heute hat er diesen Schritt nicht bereut.

„Mein Gesellenstück 1956 war das Fertigen von ein Paar Schuhen. Zwei Tage hatte ich dafür Zeit. Das Oberleder über einen Holzleisten ziehen, das Nähen alles per Hand, das Einfärben des Leders, dann Wachs auftragen, das alles polieren - fertig ist das Paar Schuhe. Die Prüfungskommission war am Ende mit mir sehr zufrieden“, erinnert sich der Schuhmachermeister.

„Nein“ oder „geht nicht“ gibt es bei Zeiler nicht

Inzwischen klingelt es schon wieder. Unser Gespräch wird unterbrochen. „Können Sie mir die Absätze noch mal erneuern?“, fragt eine ältere Kundin. Die Antwort „nein“ oder „geht nicht“ gibt es bei Zeiler nicht. „Natürlich, übermorgen können Sie vorbeikommen“, sagt er und findet dabei für alle großen und kleinen Probleme eine Lösung. „Im Dezember hatte ich Kundschaft aus der Schweiz. Sie waren zu Besuch in Wittenberg und hatten sechs Paar Schuhe zur Reparatur mit. ,Bitte helfen Sie uns.’ Da konnte ich nicht nein sagen. Zwei Tafeln Schweizer Schokolade ließen sie als Dankeschön bei mir“, schildert der Meister seine Erlebnisse. Auch ein Oldtimermotorradsattel landete mal in seiner Werkstatt. Der Kunde war am Ende höchst zufrieden über die qualitätsgerechte Reparatur.

Als Orthopädieschuhmacher war Zeiler über viele Jahrzehnte tätig vorwiegend im Dienstleistungskombinat (DLK) – dies bis zu seiner Selbstständigkeit 1988. „Als ich meinen Gewerbeantrag stellte, bewegte sich zunächst nichts. Geschäftseröffnung ohne Gewerberäume – das ging nicht. Ich musste mit der Faust auf den Tisch schlagen. Schließlich konnte ich den Laden eines verstorbenen Kollegen in der Heubnerstraße übernehmen“, beschreibt er seinen Kampf mit den Behörden. Duckmäusertum war nie Zeilers Ding. „Ich sagte immer meine Meinung, auch wenn sie für manchen unbequem erschien“, beschreibt der gläubige Christ sich selbst. Sein Wunsch für 2015: „Ich wünsche, dass Gott mir die Kraft schenkt, meinen Beruf noch lange ausüben zu können. Ich bin dankbar für ein bisher so erfülltes Leben.“

Bleibt noch Zeit für Hobbies? Ja, da ist der 400 Quadratmeter große Garten in Piesteritz zu bestellen, aber auch das Drechseln von Kerzenständern fordert den emsigen Schuhmacher. Nicht zu vergessen die vier Kinder und 13 Enkel, die an der Ostsee und im Senftenberger Raum leben und sich gern vom Opa Geschichten aus alten Zeiten erzählen lassen. An ein Ereignis erinnert sich Horst Zeiler besonders gern: Erst im vergangenen Jahr durfte er mit Ehefrau Johanna Goldenes Ehejubiläum feiern.

„Noch heute zählt meine ehemalige Chefin des damaligen DLK zu den treuesten Kundinnen“, bemerkt Zeiler am Ende nicht ohne Stolz. Da schwingt so etwas wie Berufsethos mit. Stolz darf der Wittenberger Schuhmacher aus Passion durchaus sein, stolz auf einen Beruf, den unsere Enkel und Urenkel vielleicht bald nur noch vom Hörensagen der Großeltern kennen lernen werden. Verachten wir die Meister nicht!