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Wittenberger Altstadt Wittenberger Altstadt: Verödet die Innenstadt?

Von Michael Hübner 08.05.2018, 13:15
Immer mehr verwaiste Schaufenster „zieren“ die Einkaufsmeile in Wittenberg.
Immer mehr verwaiste Schaufenster „zieren“ die Einkaufsmeile in Wittenberg. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Mehr als 40 Läden - so hat es zumindest der Gewerbeverein gezählt - stehen in der Innenstadt von Wittenberg leer. Wer in der Coswiger Straße - einen Steinwurf entfernt von der weltberühmten Schloßkirche - bei diesem herrlichen Wetter im Freien einen Kaffee trinkt, zählt ein halbes Dutzend verwaiste Geschäfte.

Das ist eine gefährliche Situation. Leere Schaufenster, da sind sich Wirtschaftsexperten einig, werden die Abwärtsspirale noch weiter befeuern. Zu stoppen ist dieser Trend nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Kommune und Wirtschaft.

Einer, der sich dieser Verantwortung stellen will, ist Stefan Kretschmar (Freie Wähler). Dabei gehört der Stadtrat keineswegs zu den Schwarzmalern. „Wie sah es denn noch vor fünf Jahren in der Innenstadt aus?“ fragt er rhetorisch. Er glaubt, Wittenberg ist deutlich attraktiver geworden und hat ein ordentliches Fundament, auf das jetzt aufgebaut werden kann.

„Die Probleme, die wir haben, gibt es überall im Osten. Und das liegt vor allem an der fehlenden Kaufkraft“, sagt Kretschmar. „Darüber hinaus haben vor allem Kleinsthändler mit einem Bürokratiemonster zu kämpfen“, so der Kommunalpolitiker, der dazu die Pflicht zu einem „elektronischen Kassensystem“ oder die neue Datenschutzverordnung als Beispiele nennt.

Dagegen ist Kretschmar überzeugt, dass es in der Stadt genügend Parkplätze gebe. „Es kann aber schon sein, dass man mal ein paar Meter laufen muss“, so der Kommunalpolitiker, der trotzdem sicher ist: „Wir brauchen kein zweites Parkhaus, sondern ein Parkleitsystem, damit die freien Plätze auch gefunden werden - von Einheimischen und Touristen,“ so der Stadtrat, der die Schelte zu den unterschiedlichen Öffnungszeiten aber für gerechtfertigt hält.

Besonders der Samstag sei eine Wissenschaft für sich. „Aber das Problem wollten wir schon vor 20 Jahren lösen“, so der Stadtrat. Gelungen sei dies nicht, trotz Beratungen mit den Gewerbetreibenden. Dafür sollte es allerdings machbar sein, die Schaufenster auch der verwaisten Läden zu nutzen - für Kunst zum Beispiel.

Für Kretschmar ist eine der Schwerpunktaufgaben, Baulücken zu schließen und die Kaufkraft sowie die Verkaufskultur zu erhöhen. Ein Einkaufsbummel in der Stadt müsse attraktiv sein. „Die Online-Konkurrenz ist groß“, so Kretschmar.

Das bestätigt auch eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung und des Handelsverbands Deutschland (HDE). „Der Onlinehandel verändert das Gesicht der Innenstädte“, sagt HDE-Geschäftsführer Stefan Genth. „Die Verwaltungen müssen sich um ihre Innenstädte kümmern. Das schafft der Handel nicht mehr alleine“, sagt Genth bei der Vorstellung der Studie von 2017.

Sein Vorschlag ist ein „Citymanager“, der sich als eine Art Kümmerer an der Schnittstelle zwischen Handel, Immobilienbesitzern, Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing bewegen sollte. Etwas Vergleichbares hat Coswig. Daraus ist die Idee eines Regionalmarktes entstanden. Die Premiere war ein großer Erfolg, wie eine Vertreterin des Wittenberger Gewerbevereins gegenüber der MZ bemerkte. Kretschmar dagegen ist überzeugt, dass in Wittenberg „viele interessante Veranstaltungen“ schon für das Beleben der Innenstadt gesorgt haben. Nur so könne Politik über das Wettbewerbsrecht für Chancengleichheit zwischen stationärem Handel und Onlineanbietern sorgen.

„Das Internet ist nichts anderes als ein virtueller Standort“, erklärt Genth. Und der sei sonntags zunehmend konkurrenzlos, seitdem immer mehr verkaufsoffene Sonntage verboten werden.

Ein aktuelles Paradebeispiel dafür ist bekanntlich auch Wittenberg. Hier wollte ein Baumarkt vor seinem Geschäft sonntags für drei Stunden Blumen und Pflanzen verkaufen. Das hat die Stadtverwaltung kurzfristig zum Verdruss von Kunden und Mitarbeitern in einem nicht unbedingt freundlichen Brief untersagt. Diese Entscheidungen verstehen selbst Stadträte nicht.

Im Übrigen können die Verantwortlichen mit etwas mehr Kulanz bei Sonntagsöffnungszeiten im Bereich des Stadtzentrums auch die Innenstadt beleben. An einem Geschäftssterben - auch mit Blick auf Steuereinnahmen - kann die Stadt kein Interesse haben. (mz)