Wittenberg Wittenberg: Wer rückt aus bei Lärm?
WITTENBERG/MZ. - "Wir heiraten am 8. August. Ab 18 Uhr feiern wir im Gemeindezentrum. Bei etwas lauterer Musik zu fortgeschrittener Stunde bitte nicht gleich die Polizei rufen...", hieß es auf dem Flugblatt, das jüngst einige Zörnigaller in ihren Briefkästen fanden. So freundlich geht es freilich nicht immer und überall zu.
In den Sommermonaten bekommt es die Polizei gehäuft mit Beschwerden über nächtliche Ruhestörung zu tun, oft an den Wochenenden, weil ein Nachbar im Garten die Musikanlage auch nach 22 Uhr aufgedreht hat, weil eine Gruppe Jugendlicher sich just die Bank direkt unterm Schlafzimmerfenster fürs fröhliche Beisammensein auserkoren hat, weil man von Feuerwerks-Böllern aus dem ersten Schlaf gerissen worden ist.
Dabei ist die Polizei nicht in erster Linie dafür zuständig, sondern das Ordnungsamt der jeweiligen Stadt. Die Polizei, so heißt es nämlich im Sicherheit- und Ordnungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (SOG), wird nur tätig, "soweit die Gefahrenabwehr durch die Sicherheitsbehörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint". Und das ist nachts oder an den Wochenenden meist der Fall, schließlich sind die Ordnungsämter dann nicht besetzt. "In aller Regel fahren wir dann auch hin", sagt Peter Schürmann, Pressesprecher im Polizeirevier Wittenberg. Es sei denn, es stehe ein anderer Einsatz darüber, bei dem Gefahr für Leib und Leben oder bedeutsame Sachwerte abzuwenden sei. "Wir werden von einem schweren Unfall nicht wegfahren, um jemanden aufzufordern, das Radio leiser zu machen", so Schürmann.
Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Polizei-Diensthabende den Bereitschaftsdienst des jeweils zuständigen Ordnungsamtes losschickt. Den gibt es, und das nennt Schürmann "vorbildlich", in allen Einheitsgemeinden des Kreises. Nur nicht in Wittenberg.
Dass man sich das im Zuge der Haushaltskonsolidierung nicht leisten könne, damit begründet das der stellvertretende Ordnungsamtsleiter der Lutherstadt, Hagen Pisoke. "Das hieße, noch zwei Leute einzustellen." Mit seiner Meinung, dass sich die Stadt das auch nicht leisten müsse, "weil es keine Pflichtaufgabe ist" und laut SOG allein die Polizei zuständig sei, liege Pisoke aber "grundsätzlich falsch", so Michael Kafka, ein Sprecher des Innenministeriums. "Die Stadt ist Gefahrenabwehrbehörde und damit zuständig." Kafka wie auch Schürmann verweisen auf den Paragraphen 87 des SOG, wo es eindeutig heißt: "Die Sicherheitsbehörden haben sicherzustellen, dass die Arbeiten der Gefahrenabwehr auch außerhalb der Dienstzeit wahrgenommen werden." Es handelt sich laut Kafka also sehr wohl um eine gesetzliche Pflicht. "Wenn die Stadt die Polizei zwingt, tätig zu werden, weil sie keinen Bereitschaftsdienst vorhält, ist das nicht fein", sagt Kafka. "Die Polizei könnte darauf bestehen."
Für das Ordnungsamt der Stadt Kemberg ist im Sommer der Bergwitzsee diesbezüglich ein Schwerpunkt. Und dort sind es laut Amtsleiterin Silvana Kühn meist größere Gruppen, denen Ruhe geboten werden muss. Nicht zuletzt deshalb werde der Bereitschaftsdienst von Männern abgesichert. Aber auch die stimmen sich immer mit der Polizei ab, ob es die Situation zulässt, dass der Mitarbeiter des Ordnungsamtes allein vorstellig oder Unterstützung der Polizei gebraucht wird. So wird es laut Schürmann auch mit den anderen Ordnungsämtern gehandhabt. In den meisten Fällen, so der Pressesprecher des Polizeireviers, reagierten die Verursacher des Lärms einsichtig, "da reicht eine Ermahnung, und sie drehen leiser". Ansonsten gibt es eine Ordnungswidrigkeitsanzeige - für diese ist grundsätzlich das Ordnungsamt zuständig. Ein Fall, wo die Polizei bei einem Unbelehrbaren eine Musikanlage eingezogen hat, liege Jahre zurück.
Gleichwohl setzen die Ordnungsämter darauf, dass sich die Nachbarn untereinander verständigen und das möglichst schon vorab. Wer bei einer größeren Party sichergehen will, holt bei Ordnungsamt eine Ausnahmegenehmigung von den Ruhezeiten ein. "Ein Freibrief ist das aber nicht", sagt Ines Höhne vom Zahnaer Ordnungsamt. "Auch da gibt es die Auflage, die Musik ab einem bestimmten Zeitpunkt leiser zu machen." In Bad Schmiedeberg empfiehlt Amtsleiter Klaus-Dieter Kluge, eine Telefonnummer zu hinterlassen. Da reiche ein Anruf, wenn's zu laut wird. Es ist schließlich auch peinlich, wenn die Polizei bei der Party aufkreuzt.