Wittenberg Wittenberg: Relativierter Banken-Blick
WITTENBERG/MZ. - Am Dienstagabend kamen in der Evangelischen Akademie 14,5 Millionen Euro an Schulden zusammen. Zumindest verriet das die Einblendung an der Wand hinter den Köpfen von Thoralf Flaake von der Volksbank Wittenberg und Akademiedirektor Friedrich Kramer - sie zeigte sekundengenau den Stand der deutschen Staatsverschuldung, der in den gut zwei Stunden "Talk am Turm" pro Sekunde um 2 279 Euro gewachsen war.
Kleine Geschichtsstunde
In das Thema "Zehn Jahre Euro - und wie weiter? Eine Wittenberger Perspektive" hatten Lukas Kiepe und Johannes Neumann mit einer kleinen Geschichtsstunde über die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung eingeführt. Die beiden jungen Männer leisten derzeit ihr Freiwilliges Soziales Jahr an der Akademie ab und unterstützen dadurch in handwerklicher wie akademischer Hinsicht den Betrieb der Einrichtung an der Schlosskirche. Während so langsam die Gelder im Hintergrund ins Nirwana flossen, knüpfte Thoralf Flaake nahtlos an die wilden Tage im Januar 2002 an und berichtete von den Geschäftsleuten, die kurz vor 18 Uhr mit Wassereimern voller Bargeld in die Bank kamen, um die alte Deutsche Mark in neue Euro umzutauschen.
Über einen kurzen, aber intensiven Exkurs zu den Gebühren an Bankautomaten lenkte Friedrich Kramer die Diskussion dann wieder zurück auf das Kernthema: Wie Wittenberg von der Finanzkrise betroffen war - und warum die Genossenschaftsbanken so scheinbar wenig von den weltweiten Banken-Problemen getroffen wurden. Flaake hat dafür eine einfache Erklärung parat: "Schuster bleib bei Deinem Leisten - wenn man etwas nicht versteht, soll man davon die Finger lassen", erklärt er den strikt konservativen Kurs seines Hauses und vergisst darüber nicht die Kollegen von der Sparkasse ebenfalls für ihre ähnliche Hauspolitik zu loben. Die gerade mal 16 Gäste, die sich zum Talk am Turm getroffen hatten, nutzten eifrig die Möglichkeit, dem Banker ihre Fragen und Sorgen vorzustellen.
Was er sich von der Politik wünsche? Das bereitete Flaake kein Kopfzerbrechen. "Weniger Populismus, die Honorierung von Sicherheitsbewusstsein und differenzierte Vorkehrungen gegen eine neuerliche Krise", fasste er das zusammen. Es sei außerdem ein Unding, dass die Konkurrenz, die unter dem Rettungsschirm hing, jetzt schon wieder mit vollkommen marktfremden Zinsen auf Kundenfang gehe. Für den Wittenberger Jens Krause jedenfalls war die Runde ein Gewinn: "Mit so einem Gespräch kann man das Thema nicht nur wie am Fernseher konsumieren, sondern besser reflektieren", gibt er zu verstehen. Der Wittenberger Ladeninhaber Thomas Glaubig hatte sich zwar etwas anderes vom Inhalt der Diskussion erwartet als eine Lehrstunde über Genossenschaftsbanken und ihre Krisenstabilität - "aber so war es ja auch nicht umspannend", sagt er.
Das Ziel erreicht
Friedrich Kramer, der Gastgeber, ist sich sicher, dass sein Ziel erreicht wurde: "Wir wollten eine Relativierung des Bankenblicks erreichen - dass es eben solche und solche gibt. Und vor allem auch: Nicht alle Banker sind böse."