Wittenberg Wittenberg: Feier in der Ferne
WITTENBERG/MZ. - Der junge Mann hat in der Tat Grund zum Feiern. Am Sonntag, wenn wohl nicht jeder einzelne, aber doch die Republik dem Glücksfall der deutschen Wiedervereinigung gedenkt. Sebastian Koske ist ein Einheitskind, geboren am 3. Oktober 1990, 0.16 Uhr in der Bosse-Klinik, damals in der Heubnerstraße. Er war der erste, der an diesem Tag in Wittenberg das Licht der Welt erblickte. Die DDR war gerade verschieden und Baby Sebastian öffnete die Augen. Das hat ihm ein Foto in der Zeitung eingebracht - und den Umstand, an einem Feiertag Geburtstag zu haben. Am Sonntag ist es der 20.
Und weil zu den Folgen der Einheit unter anderem gehört, dass attraktive Arbeitsplätze knapp geworden sind im Osten und viele junge Leute ihre Heimat verlassen (müssen), findet die Feier nicht in Wittenberg statt, sondern in Melsungen, einer kleinen Stadt in Hessen. Dorthin ist Sebastian Koske vor einigen Wochen gegangen, aus beruflichen Gründen und der Liebe wegen. Der junge Mann ist Pharmakant bei der B. Braun Melsungen AG, einem Unternehmen mit weltweit rund 40 000 Mitarbeitern und über 50 Standorten. Pharmazie und Medizintechnik sind die Geschäftsfelder. Der Wittenberger arbeitet im Labor, widmet sich der Herstellung von Infusionslösungen. "Es ist ein prima Job", sagt er und sieht sich alles in allem gut aufgehoben. Von Ost-West-Klischees keine Spur: "Das merkt man absolut nicht. Die Leute hier sind sehr nett und aufgeschlossen."
Wittenberg fühlt sich Sebastian Koske gleichwohl verbunden, nach wie vor und obgleich er schon mit 16 Jahren nach Berlin wechselte, um dort zum Pharmakanten ausgebildet zu werden. So oft es geht, wenn es die Arbeit eben zulässt, fährt der junge Mann in die Lutherstadt, 360 Kilometer eine Strecke. Weil hier Familie und Freunde leben, weil Stadt und Kultur etwas Einzigartiges sind: "Das hat man in Melsungen nicht." Er erinnert sich gerne an seine Heimat, aber er wollte eben auch in die Pharmabranche und die ist in Wittenberg nun einmal nicht angesiedelt. Die geforderte Flexibilität ist für ihn nichts Besonderes, der Tag der deutschen Einheit, der auch sein Geburtstag ist, hingegen schon. "Wenn man die ganzen Sendungen im Fernsehen sieht, dann wird man ein bisschen stolz." Von der DDR weiß er von Erzählungen, aus der Schule, das vereinigte Deutschland ist für Sebastian Koske eine Selbstverständlichkeit.
Der Sonntag beschert ihm übrigens noch einen weiteren Party-Grund. Bislang hat Sebastian Koske bei den Eltern seiner Freundin gelebt. Inzwischen haben beide eine eigene kleine Wohnung: "Wir verbinden die Geburtstagsfeier mit der Einweihungsparty."