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Wittenberg Wittenberg: Explosive Altlasten bleiben ein großes Sicherheitsrisiko

Von DIRK SKRZYPCZAK 13.02.2009, 17:51

BERGWITZ/MZ. - Zwischen Bergwitzsee und Rotensee stapft der Sprengstoffexperte, ein Lubaster, mit den Beamten nahe der Hoffmannshöhe über zerfahrene und gefrorene Forstwege. Eine Markierung am Boden dient der Orientierung. Von hier aus geht es im Unterholz weiter. Ein Fähnchen an einem Strauch markiert schließlich den Fundort. Waldarbeiter hatten zuvor die Granate im aufgewühlten Boden entdeckt. Offenbar war die Hinterlassenschaft aus dem Zweiten Weltkrieg von Wildschweinen ans Tageslicht befördert worden.

"Kaliber 7,5 Zentimeter. Eine Sprenggranate deutscher Herkunft", sagt Schmidt nach wenigen Sekunden. Das verrostete Geschoss steckt zu einem Drittel im knüppelharten Erdreich. Eine Gefahr stellt es nicht dar, erzählt der Sprengmeister. Der Zünder werde erst beim Abfeuern aus der Kanone entsichert. Das etwa 33 Zentimeter lange Projektil ist offenbar nie geflogen. Schmidt zeigt auf die Führungsringe auf dem Munitionskörper. "Sie sind unversehrt. Wäre die Granate verschossen worden, hätten die Ringe eingeritzt sein müssen", erklärt er. Mit einem Satellitennavigationsgerät wird der Fundort dokumentiert, zur Beweissicherung schießt Schmidt Fotos. Später findet die Granate sicher verstaut einen Platz in einer Kiste im Spezialaufbau eines Kleintransporters. Nach einer Zwischenlagerung im Bunker des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in Dessau-Roßlau endet ihr Schicksal auf einem Sprengplatz bei Gardelegen. Der unspektakuläre Einsatz dauert nur ein paar Minuten; Routine für Schmidt und seinen Kollegen.

"Ich bin jetzt seit zwei Jahren in Dessau. In diese Ecke musste ich noch nicht ausrücken", erzählt der Sprengmeister. Ansonsten können Schmidt und sein fünfköpfiges Team in ihrem Verantwortungsgebiet, der Wirkungsbereich des einstigen Regierungspräsidiums Dessau, nicht über Langeweile klagen. "In meinem Büro bin ich kaum", schildert er. Vor allem die früheren Übungsplätze der Wehrmacht und der sowjetischen Truppen sind Pulverfässer. "Derzeit suchen wir fast täglich die Oranienbaumer Heide nach Munition ab. Dort soll im Landeswald eine von Kyrill verwüstete Fläche aufgeforstet werden." Mit Metallspürsonden wird der kontaminierte Boden überprüft. Lange Stöbern müssen die Spezialisten nicht. Teilweise wird man schon knapp 20 Zentimeter unter der Oberfläche fündig. Schmidt spricht von einer reichen Fundsituation und gibt sich keinen Illusionen hin. "Die komplette Beräumung der Altlasten ist eine Aufgabe für Generationen."

Granaten, Panzerbuchsgeschosse und Minen haben sie in der Oranienbaumer Heide schon sichergestellt, ebenso eine 300 Kilo schwere Granate (Kaliber 28). Selbst Splitter eines noch fürchterlicheren Geschosses wurden entdeckt. Sie gehörten zu einer mehrere Tonnen schweren Granate (Kaliber 80), die als Munition für die beiden einst größten Kanonen der Welt bestimmt war - die "Dora" und den "Gustav" aus der deutschen Rüstungsindustrie. Offenbar wurde die mehr als mannshohe Granate als Überbleibsel mit anderer deutscher Munition nach dem Krieg in der Oranienbaumer Heide gesprengt, eventuell ja durch die Sowjets, die das Areal bis Anfang der 90er Jahre nutzten.