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Wirtschaft Wirtschaft: Gute Nacht im Zylinder aus Coswig

Von Ilka Hillger 29.07.2016, 17:14
In der Kombination und Verbindung von Wohntürmen aus Betonelementen - wie in diesem Entwurf - sieht Anselm Franz die Zukunft seiner Ideen.
In der Kombination und Verbindung von Wohntürmen aus Betonelementen - wie in diesem Entwurf - sieht Anselm Franz die Zukunft seiner Ideen. David Ludley

Coswig - Hotelturm Nummer 28 wird in Orange gestrichen. Es dauert nur noch ein paar Tage, dann zieht er um, wird für den Transport halbiert, auf den Lkw verladen und tritt seine Reise von Coswig nach Berlin-Lichtenberg an. Im Holi-Hotel wird dieses besondere Übernachtungsmodell schon sehnlichst erwartet.

Zehn Exemplare der mobilen Wohntürme hat der Hotelier geordert. Nun gesellt sich das Modell in Orange zu den bereits Stehenden in Grau, Weiß oder auch Blau von der Berliner Firma Veloform. Gefertigt, montiert und ausgestattet werden die Türme jedoch in Coswig, gleich neben der Firma Mall, die mit ihren großen, meist runden Wasserspeichern aus Beton die Hauptzutat für das Konzept vom Anselm Franz liefert.

Mobile Hotelzimmer nutzen jeden Quadratzentimeter

Dieser Tage schaut der Veloform-Geschäftsführer am hiesigen Produktionsstandort vorbei und ist zufrieden mit dem, was er sieht. Das Innenleben des Turms kann sich sehen lassen und Franz kann selbst noch darüber staunen, was seine Konstrukteure mit geschickter Planung aus fünf Quadratmetern runder Grundfläche herausgeholt haben.

„Da geht es um jeden Zentimeter, das ist die Herausforderung“, sagt er, und trotzdem muss in diesem besonderen Hotelzimmer auf nichts verzichtet werden. Drei Etagen, verbunden durch eine Wendeltreppe, haben im Zylinder Platz. Die Ausstattung ist in diesem Fall hochwertig, es gibt eine Fußbodenheizung, die Materialien sind edel.

Unten ist das kleine Bad mit rotem Mosaik gefliest, Dusche, Waschbecken, Toilette – alles ist da. Die Schlafgelegenheiten verteilen sich auf zwei halbrunden Zwischendecken. Platz ist für vier Leute. Dann wird es zwar eng, aber weil der Raum auf den drei Ebenen mit 15 Quadratmetern optimal genutzt wird, ist Platz für Schrankmodule, Ablageflächen und Haken.

Als Anselm Franz 2004 mit den Betonzylindern der Coswiger Firma Mall zu arbeiten begann und sie gänzlich anders dachte, als der Hersteller es eigentlich vorsah, war freilich noch nicht abzusehen, welche vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten solch ein Teil bietet. „Damals dachten wir an eine Nutzung durch Kioske für Pommes oder Döner“, erzählt der 49-Jährige. Die Ursprungsidee wird heute, da es um die 50 Nutzungsvarianten gibt, kaum noch geordert.

Dafür sieht man Betonelemente als sichere Hülle für Automaten aller Art, es gibt sie als Toiletten, als Garten- oder Saunahaus oder als Aussichts- und Ausstellungsturm, wenn zwei Elemente wie beim Hotelturm übereinander gestellt werden. „Sie sind so stabil, dass man sogar bis zu fünf Ringe stapeln kann“, erklärt Franz. Stabil bedeutet auch schwer, ein Turm wiegt 16 Tonnen. Da muss man schon ganz genau wissen, wo das Objekt stehen soll, wenn der Autokran der Wittenberger Spedition K und K vorfährt.

Den Grundstein für sein Berliner Unternehmen Veloform legte Anselm Franz mit den Velotaxis, die inzwischen weltweit in 60 Ländern durch die Städte rollen und vor allem Touristen transportieren. Auch den Schienenersatzverkehr der Berliner Verkehrsgesellschaft durften die City-Radler schon mal erledigen. Jedes Velotaxi hat inzwischen einen elektrischen Hilfsmotor, manche werden von einer Brennstoffzelle oder durch Solarenergie betrieben. Pro Jahr verlassen 150 bis 250 neue Velotaxis die Produktionshalle in Lichtenberg. Die 10.000 Euro teuren Fahrrad-Rikschas sind jedoch nicht nur Transportmittel, sondern auch rollende Werbefläche und so funktioniert auch deren Vertrieb. Betreiber erwerben die Velotaxis, vermieten sie an Selbstständige, die alle Einnahmen erhalten; der Gewinn aus den Werbeerlösen geht an den Betreiber. (mz/ihi)

„Mit denen machen wir alle Transporte“, sagt Anselm Franz. Überhaupt vertraut er bei Innenausbau und Montage auf die hiesigen Firmen. So sind die „Veloform bboxx“ – so der offizielle Name – rundum ein Coswiger Produkt. Selbst getestet wurden sie in der Nähe, am Concordiasee. Alle Arbeiten im sanitären Bereich erledigt Global Fliegenschmidt, die Elektroinstallationen übernimmt Elektro-Knichal, die Maler kommen aus dem Ort und den Innenausbau macht Trennwand Bau Dessau. „Zwei Hoteltürme schaffen wir pro Woche“, so Anselm Franz, der in solchen Produktionszeiten Kollegen aus dem 15-köpfigen Team seiner eigenen Firma von Berlin nach Coswig schickt.

Vor Ort werden dann nicht nur Hoteltürme neu eingerichtet und lieferfertig für die Kundschaft gemacht, die inzwischen aus sieben europäischen Ländern kommt, es werden auch die bei Veloform mietbaren Modelle umgerüstet. Dieser Tage passiert dies bei einem grünen Eventturm, aus dessen Dachmodul ein Baum wuchs.

Er gehörte zur Road-Show „Grün in die Stadt“, die vor einigen Wochen durch Deutschland tourte und im Mai auch auf dem Dessauer Marktplatz Station machte. Die Griffe als Halt für Kletterer an der Außenwand sind jetzt abmontiert und mit frischer Farbe ist der Betonzylinder für jegliche neue Nutzung bereit. „Gerade dieser hatte bestimmt schon 30 Kostüme an“, meint Anselm Franz.

Unternehmer von Veloform glaubt an Zukunft mit  Wohntürmen

Was sich hingegen besonders in Kombination seiner Wohntürme alles anstellen lässt, treibt den Unternehmer derzeit um. „Die Zukunft gehört den verschiedenen Kombinationen der Elemente“, sagt er. Ideen haben er und seine Mitarbeiter ausreichend. Da lassen sich die Türme so arrangieren, dass ein kleines Dorf entsteht, verbunden auf halber Höhe durch einen Steg, und an dessen Ende ein Gebäude mit Sanitäreinrichtungen und Frühstücksraum steht. „Das ist doch ideal für Gruppenreisen und Klassenfahrten“, findet Franz.

Und wie immer bei solchen Türmen gibt es auch hier ausreichend runde Betonfläche für Werbung. So ließe sich ein solches Projekt, das aus Coswig kommt, dann auch finanzieren. Aber vorher sieht man die Wohntürme vielleicht schon beim Reformationsjubiläum. Der Verein R2017 sei sehr interessiert, freut sich Anselm Franz. Die Farbe Orange des aktuellen Hotelturms passt auf jeden Fall schon mal zu jener für die Kirchentagsfeier im kommenden Jahr. (mz)

Mit dem Wittenberger Speditionsunternehmen K & K werden die Hotelboxen schon jetzt beim Kunden ausgeliefert.
Mit dem Wittenberger Speditionsunternehmen K & K werden die Hotelboxen schon jetzt beim Kunden ausgeliefert.
David Ludley
Dieser Hotelturm in Orange ist für Berlin vorgesehen.
Dieser Hotelturm in Orange ist für Berlin vorgesehen.
André Dix
In den Hoteltürmen für einen Berliner Auftraggeber legte Anselm Franz Wert auf hochwertiges Material. Eine Wendeltreppe führt zu den beiden Schlafebenen.
In den Hoteltürmen für einen Berliner Auftraggeber legte Anselm Franz Wert auf hochwertiges Material. Eine Wendeltreppe führt zu den beiden Schlafebenen.
Dix