Wilde Tiere in Wittenberg Wilde Tiere in Wittenberg: Was macht der Biber an der Schlosskirche?

Wittenberg - Da staunten die nächtlichen Spaziergänger nicht schlecht. Ein Biber, ein Biber direkt an der Schlosskirche! Du lieber Gott! Er habe ja zunächst an eine Nutria gedacht, die sich da im Schummerlicht der Straßenlaternen herumtrieb, berichtet Paul Winkler, die seien schließlich „Kulturfolger“. Aber dann drehte sich das Tier um, da war der „Plattschwanz“ und alles klar.
Bloß weg von der Straße
Für Winkler, von Haus aus Biologe aber als Molekularbiologe eher für sehr winzige Existenzen zuständig, und seine Freundin Juliane Altekrüger begann an diesem Mittwoch vor gut einer Woche, da sahen sie den Biber zum ersten Mal, eine aufregende Zeit. Sie machten sich Sorgen um das Tier, das, wie Juliane Altekrüger berichtet, immer mal wieder Anstalten machte, Richtung Amtsgerichtskreuzung zu entschwinden.
„Wir haben versucht es in die Grünanlage zu drängen“, bloß weg von der Straße, wo es zum Glück nur anderen Passanten über den Weg lief. Was tun? Über den Umweg der Naturparkverwaltung Dübener Heide nahm das Paar Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises auf. Die reagierte prompt. Wegen „Gefahr im Verzug“, wie es aus der Fachabteilung hieß, habe man direkt die Biberreferenzstelle in Oranienbaum eingeschaltet. Am Dienstag kamen von dort zwei Experten mit dem Kescher und setzten das Tier an einer nicht näher benannten Stelle an der Elbe aus.
Dort, wo der Biber, dort, wo die Biber auch die besten Lebensbedingungen haben, wie Annett Schumacher, Leiterin der „Referenzstelle für Biberschutz“, wie die Einrichtung in Oranienbaum exakt heißt, gestern der MZ sagte. Der Schlosskirchen-Biber, ein schon älteres Tier, habe sich „verlaufen und saß in der Falle“, so Schumacher, nur mit „viel Glück“ sei er bei seiner Wanderung überhaupt über die Straße gekommen.
Heimisch in der Stadt
Warum er sich verlaufen habe, könne man nur vermuten, so die Expertin, er sei wohl auf der Suche nach einem neuen Revier gewesen. Dass die Tiere wandern und dass sie um diese Zeit wandern, sei nicht ungewöhnlich. Dass er direkt in die Innenstadt kommt, freilich schon seltener.
Aber: „Der Biber lebt im Stadtgebiet“, so Schumacher, sei es an der Elbe, sei es am Rischebach. Warum sich Mensch und Biber ins Gehege kommen, ist für sie auch glasklar: Beide gestalten ihre Umwelt, beide gern nach ihren eigenen Vorstellungen. Und die sind, wo sie aufeinandertreffen, meist nicht kompatibel.
Im Fall des Schlosskirchen-Bibers ist die Sache für beide Seiten gut ausgegangen. Erleichtert sind auch Paul Winkler und Juliane Altekrüger. „Er hätte auf absehbare Zeit Probleme gemacht“ und „Probleme bekommen“, weiß Biologe Winkler, dessen bisher spannendste Wildtierbegegnung in der Stadt - die Aufzucht zweier Igelchen war.
(mz)