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Weltausstellung Reformation Weltausstellung Reformation: Die Tore macht weit

Von Marcel Duclaud 29.05.2017, 14:30
Mit einem Gottesdienst ist die Weltausstellung Reformation „Tore der Freiheit“ eröffnet worden - Wittenbergs Marktplatz war gut besucht.
Mit einem Gottesdienst ist die Weltausstellung Reformation „Tore der Freiheit“ eröffnet worden - Wittenbergs Marktplatz war gut besucht. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Es ist schon still geworden in den Wittenberger Wallanlagen an diesem aufregenden Samstag. Dietrich Braumann bummelt abends am Schwanenteich entlang, dort, wo die so wenig seetüchtigen geflochtenen Boote auf den fragilen Zustand dieser Welt aufmerksam machen.

Der Wittenberger freut sich sichtlich über die Veränderungen, die seiner Heimatstadt in diesen Tagen zuteil werden: „Für Nostalgiker ist das nichts“, bemerkt er mit spitzbübischem Lächeln. Speziell der Bunkerberg hat es Braumann angetan: „Herrlich dort, mit all den Spiegelstegen. Schade, dass so wenig bleiben wird, wenn das Jahr zu Ende geht.“

So weit ist es längst noch nicht und was bleibt, ist nicht ausgemacht, ist quasi die große Unbekannte in der Gleichung des Jubiläumsjahres. Am Sonnabend sind die „Tore der Freiheit“ weit aufgestoßen worden. Mit diesem starken Signal hat ein Sommer begonnen, wie ihn Wittenberg noch nicht erlebt hat und so schnell auch nicht wieder erleben dürfte.

Der Countdown ist abgelaufen, der Zähler in der Weltkugel auf dem Markt, auf dem mal 950 Tage zu lesen stand, zeigt eine Null. Die Weltausstellung Reformation, die bis zum 10. September laufen wird, hat begonnen. Acht Installationen in sieben Torräumen werden präsentiert, gestaltet nach Entwürfen von Studenten aus Österreich und Deutschland, manche gehen hoch hinaus wie der Bibelturm am Bahnhof (30 Meter). Zahlreiche Pavillons, Zelte und Messebauten laden zum Schauen und Diskutieren ein, von 82 Veranstaltungsstätten ist die Rede, darunter zwei große Bühnen am Markt (für das Tagesprogramm) und auf der Schlosswiese (für abendliche Konzerte). Rund 2.500 Quadratmeter Zeltbahnen wurden zu temporären Hütten und Häusern verbaut. Neben der üblichen Gastronomie bieten 24 Aussteller Speisen und Getränke an. Noch einige Zahlen: 2.607 Ehrenamtliche betreuen die Präsenzen der Aussteller; sechs Kilometer Stromkabel münden in 60 Verteilerkästen; 3.000 zusätzliche Stühle wurden aufgestellt; 500 Tonnen Erd- und Schottermassen sind bewegt worden; 50 Laster, 26 Bagger und sechs große Kräne waren im Einsatz. Für alles, was übrig bleibt, wurden 65 Müllinseln eingerichtet und 140 Mülltonnen aufgestellt.

Die Welt ist eingeladen zur „Weltausstellung Reformation“, geboten werden über 2.000 Veranstaltungen in 16 Themenwochen, 82 Aussteller präsentieren sich, über 1.000 Referenten, Diskutanten, Moderatoren werden erwartet. Die Dimension sprengt in hohem Maße, was eine Kleinstadt wie Wittenberg gewohnt ist.

Möglich macht das die außergewöhnliche Geschichte, die von diesem Fleckchen Erde ausgegangen ist, möglich machen es der Ideenreichtum und das Engagement Tausender, die vorbereiten und mitwirken, möglich macht es eine erkleckliche Summe Geld, die Ulrich Schneider, einer der Geschäftsführer des Vereins Reformationsjubiläum alles in allem mit 25 Millionen Euro angibt.

Ein Drittel vom Staat, ein Drittel von der Kirche, ein Drittel Sponsorengelder und Einnahmen. Gerechnet wird mit rund 500 000 Besuchern, „zahlenden“, wie Schneider betont.

Die „Tore der Freiheit“ sind ein Symbol in mehrfacher Hinsicht. Sie stehen für die Freiheiten, die die Reformation brachte, sie stehen für Luthers Befreiungserfahrung, den „Auszug aus der Angst“, nicht zuletzt für den Zugang zur Wittenberger Altstadt und gleichsam für eine Öffnung zur Welt.

Alle Redner, die bei der gut besuchten Eröffnung mit Gottesdienst auf dem Marktplatz das Wort ergreifen - die Liturgie mitgestalten etwa der katholische Bischof Gerhard Feige und der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos - betonen den ökumenischen, interreligiösen, internationalen Charakter des Jubiläums im Jahr 2017.

„Das ist wichtiger denn je für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagt etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Reformation sei längst eine Weltbürgerin geworden, ihre Botschaft habe nichts an Aktualität verloren. „Die Kraft ist nicht erschöpft.“

Von überwundener nationalistischer Enge spricht Margot Käßmann, Botschafterin des Rates der EKD für das Jubiläum. Sie hofft auf ein Aufbruchssignal und darauf, dass in Wittenberg debattiert wird, wie Kirche und Gesellschaft im 21. Jahrhundert aussehen sollten. Auf offene Arme verweist Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende des Rates der EKD: „Alle sind willkommen, durch die Tore der Freiheit zu gehen.“

Unterdessen sind noch nicht alle Projekte unter Dach und Fach. Die spektakuläre „Kletterkirche“ am „Young Point Reformation“ wurde nicht ganz fertig, räumt Veit Laser von der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend ein. Die Arbeiten haben sich verzögert, aus Gründen der Finanzierung und wegen des Baugrundes. Die Ausstellung „Auf der Suche nach dem guten Leben“ muss noch eingerichtet werden - spätestens zum Kirchentag soll sie besucht werden können. Mit dem Klettergarten dauert es ein wenig länger: „Wir gehen jetzt von Pfingsten aus“, sagt Veit Laser. (mz)

Symbolische Toröffnung mit Prominenz, darunter Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm und Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Symbolische Toröffnung mit Prominenz, darunter Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm und Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Klitzsch
Der Eröffnungsgottesdienst war ökumenisch.
Der Eröffnungsgottesdienst war ökumenisch.
Klitzsch
Das erste Konzerte gestaltete Stefanie Heinzmann
Das erste Konzerte gestaltete Stefanie Heinzmann
Klitzsch
Zu den Eröffnungsgästen gehörte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner (r.), hier im Gespräch u.a. mit OB Torsten Zugehör (li.).
Zu den Eröffnungsgästen gehörte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner (r.), hier im Gespräch u.a. mit OB Torsten Zugehör (li.).
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