Weihnachtsmacher in Wittenberg Weihnachtsmacher in Wittenberg: Engel bei Maria Friedel im Kunsthof

Wittenberg - Am Dienstag sind die Schlangen eingetroffen. Keine Weihnachtstiere, selbst im Cranachhof nicht, wo das Wappen der Malerfamilie x-fach auftritt. Die vier silbernen Schlänglein auf dem Werkbrett von Maria Friedel haben eher mit Neujahr zu tun, aber auch das wird diesmal anders sein als sonst.
Friedel, „Designer und Goldschmied“ - so steht es schnörkellos auf ihrer Visitenkarte - hat sie entworfen für die Stadt Wittenberg, die damit alljährlich ihre Cranachpreisträger ehrt. Viel zu tun hat Friedel mit und an den Preis-Schlangen heute nicht mehr, sie muss nur noch nachbearbeiten, was aus der Gießerei kommt.
Freilich macht es sich dabei gut, dass der Dienstag allgemein ein eher ruhiger Tag ist im Kunsthof Markt 4, denn Maria Friedel muss, im Wechsel mit ihren beiden Kolleginnen (Filz, Keramik), dort auch den Kaffeehausbetrieb schmeißen, derzeit ausschließlich to go, versteht sich. Umso besser, denn so hat sie auch Zeit für ein Gespräch mit der MZ.
Zwischen Dorf und Stadt
Friedel, Jahrgang 1955 und geboren in Tübingen, gehört von Anfang an, seit 2007 also, zur über die Jahre immer mal wieder wechselnden Künstlerinnencrew des Kunsthofs. Auf dem Dessauer Weihnachtsmarkt, wo sie seinerzeit ausstellte, war man auf sie aufmerksam geworden und hatte sie dann für dieses ganz neue Projekt gewinnen können.
So kam es, dass die Schmuckgestalterin heute mehrfach in der Woche aus ihrem Wohnort - und „Dorf“ ist in diesem Zusammenhang in der Tat sehr, sehr klein zu verstehen - im Osternienburger Land in die Lutherstadt kommt. Die unvermeidliche Corona-Frage wischt sie klaglos beiseite, „ich hatte zu tun“, erklärt sie, und der Kundenkontakt lasse sich heute doch sehr gut auch per Mail abwickeln. Fragt man sie nach dem Weihnachtsgeschäft, so fällt ihr als allererstes ein, dass das für sie heute zum Glück nicht mehr so stressig ablaufe wie früher.
Wie früher oder wie im Westen, da sei sie sich nicht sicher, wie sie überhaupt auf Ost-West-Zuschreibungen lieber verzichte, man könne schließlich auch von Baden-Württemberg sprechen und von Sachsen-Anhalt. Jedenfalls hat, hier oder heute, der Anteil an Auftragsarbeiten, die die Kunden dann selbstredend pünktlich auf dem Gabentisch sehen wollen, abgenommen zugunsten von Schauen und Kaufen. Und zu schauen gibt es so einiges in ihren Vitrinen, alles eigene Werke, lediglich die Steine kaufe sie hinzu und diese normalen dünnen Silberketten - die kaum einer bezahlen wollen würde, wenn hier die Kosten von Handarbeit veranschlagt werden müssten.
Da gibt es Ausgefallenes wie nach Aufmerksamkeit heischende Doppelringe, die sich durchaus tragen ließen, wie Maria Friedel versichert, freilich „nicht beim Klavierspielen“. Geschmiedete Halsreifen in edler Schlichtheit und Anhänger, in die gern auch mal selbst gefundene Kiesel integriert werden. „Wenn man so vor sich hinarbeiten darf, dann kommen die Ideen“, bändigt Friedel ihre hier zu Tage tretende Kreativität in einem einzigen Satz.
Einmal so richtig schön vor sich hinarbeiten könnte übrigens jedermann, unter fachkundiger Anleitung, versteht sich, denn Maria Friedel bietet auch Kurse im Kunsthof an unter dem Motto „Silbersachen selbermachen“, so heißt auch ihre Homepage. Dafür bringt sie dann aus ihrem Dorf, wo ihr eigentliches Atelier ist, ein viersitziges Werkbrett mit. Denn wer mit Edelmetall - aus Kostengründen ist es hier zumeist Silber - umgeht, der setzt sich nicht einfach an einen x-beliebigen Tisch. Die Platte - das „Brett“ - muss eine Aussparung haben, damit die bei der Bearbeitung herabfallenden Späne aufgefangen und wiederverwendet werden können, dafür sorgt ein aufgespannter Beutel, das so genannte Brettfell.
Zudem ist die Höhe von Tisch und Stuhl so aufeinander abgestimmt, dass die Augen gerade mal über die Tischkante gucken, nämlich direkt auf das Werkstück. Mit den Kursen war es in diesem Jahr natürlich komplett Essig, doch auch ohne Corona ist in Wittenberg noch Luft nach oben. Mindestens drei Leute, so Maria Friedel, müssten nämlich schon zusammenkommen, damit sich die Angelegenheit rechnet. Sie sei jetzt dazu übergegangen, Interessenten zu bitten, die beiden fehlenden Leute selbst mitzubringen, damit ein Kurs zustande kommt. Doch auch zur Weihnachtszeit verzeichnet sie diesbezüglich keine steigende Nachfrage.
Ringe, die auch passen
Dabei bekomme einen Ring eigentlich jeder in einem vertretbaren Zeitraum hin, der nicht gerade über zwei linke Hände verfügt. Bei einem selbst gemachten Ring - oder natürlich einer individuellen Anfertigung - kann man zudem auch das vermeiden, was man beim Kauf fertigen Schmucks oft erlebt: Just der ausgeguckte Ring passt nicht.
Und die Cranachschlange steht nicht jedem zu. Die offiziellen Preisträgertiere sind selbstverständlich unverkäuflich, da muss man schon Verdienste aufweisen um die Stadt. Alternativen gibt es in den Vitrinen, aber in anderen Größen und Ausführungen. Überhaupt hält es Maria Friedel aktuell mit anderen Gestalten, sie füllen eine eigene Vitrine und sind ebenfalls sind kein Schmuck, sondern kleine Skulpturen aus verschiedenen Materialien.
„Teilweise Engel, teilweise Stiere“, sagt Maria Friedel zur Reporterin, die nicht so genau hingeguckt hat. Aber immerhin: teilweise eben doch Engel. Die gibt’s das ganze Jahr, vor allem aber zu Weihnachten. Oder etwa nicht? (mz)
