Wechsel im Amtsgericht Wechsel im Amtsgericht: Ein Jurist der auf Einigung in Güte setzt

Wittenberg - Johannes Nolte ist der neue Direktor des Wittenberger Amtsgerichts. „Ich bin hier wirklich sehr freundlich aufgenommen worden“, sagt der Dessauer und lobt seine neuen Kollegen - „Ich bin ein Richter unter Richtern.“ - in höchsten Tönen. Es herrsche eine „sehr konzentrierte, sehr sachliche Arbeitsatmosphäre“. Es sei zu spüren, dass die Juristen hier ihrer Arbeit mit Freude nachgehen. Ein Beleg dafür: Vier Monate dauere im Schnitt ein Zivilverfahren. Ein Wert, der sich sehen lassen könne.
Und trotzdem hat Nolte zumindest einen Punkt entdeckt, der noch ausgebaut werden könnte: Eine Einigung in Zivil- und Familienangelegenheiten ohne Richterspruch. Nolte gehörte vor zehn Jahren zu den ersten Juristen, die etwas Ungewöhnliches wagten. „Neue Herausforderungen erweitern den Horizont“, lautet das Credo des 48-Jährigen. Er ließ sich in einem Pilotprojekt im Land zu einem Mediator ausbilden.
Der Einsatz dieser Schlichter soll streitende Parteien davon überzeugen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Wird eine Einigung erzielt, ist die für alle verbindlich. „Heute heißt das Güte-Richter“, so Nolte, der ein Plädoyer für diese immer noch nicht so bekannte Alternative hält. „Dabei werden stabilere Lösungen gefunden als bei einer Richter-Entscheidung“, so der Experte. Das sei ein freiwilliges Angebot.
Im Amtsgericht Wittenberg wird seit sage und schreibe 107 Jahren Recht gesprochen. Im Frühjahr 1907 begannen die Erdarbeiten für das jetzige Objekt in Wittenberg, das 1909 fertiggestellt wurde. Am 3. Dezember war Bauabnahme, am Tag darauf die Einweihungsfeier. Das Gebäude hat zwei Weltkriege unbeschadet überstanden. Etwa 3,1 Millionen Euro sind seit 1990 zur Sanierung in das Haus geflossen. Auch nach über 100 Jahren sei bei den Räumlichkeiten noch Zweckmäßigkeit gegeben, schätzen Experten ein. Sie schlussfolgern: „Die Grundstruktur der Verwaltung hat sich nicht wesentlich verändert.“ Doch in dem alten Gebäude wohne eine junge Justiz.
Übrigens erhielt Wittenberg erstmals vor exakt 200 Jahren nach preußischem Recht ein Kreisgericht, das später als Königliches Amtsgericht umgewandelt wurde. Die städtischen Behörden überließen der Gerichtsbarkeit dafür das Obergeschoss des Rathauses.
Mehr als die Hälfte dieser Fälle lasse sich so lösen. Und der Versuch der Schlichtung, an der die Anwälte teilnehmen, erfolge eben nicht öffentlich. „So wird Vertraulichkeit gewahrt“, wird ein weiter Vorteil genannt. Güte-Richter sind laut Nolte auch schon in Wittenberg im Einsatz. Das könne aber eben noch verstärkt werden. Und geändert werden sollte, auch wenn das der neue Chef freilich nicht sagt, der Wegweiser im Eingangsbereich des Amtsgebäudes.
Demnach sitzt im Zimmer 111 immer noch eine Direktorin. Doch Siegrun Baumgarten hat schon im Juni 2015 der Lutherstadt den Rücken gekehrt und wurde als Vizepräsidentin des Landgerichts Dessau berufen. Seit dem war Thomas Tilch „der ständige Vertreter der Direktorin“. Und auch dessen Arbeit wird vom Neuen ausdrücklich gewürdigt.
Der Direktor wird eines aber definitiv nicht ändern: die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang. Schon auf der Homepage werden die Besucher gebeten, „das Mitbringen von gefährlichen Gegenständen zu unterlassen.“ Der Richter-Beruf ist offensichtlich ein gefährlicher. „Das ist aber nicht jeden Tag im Alltag zu spüren“, sagt Nolte. Allerdings habe er es schon bei einer Anhörung erlebt, dass das Wachpersonal von einem Mann das Klappmesser eingezogen hat. Als ein Richter in Deutschland beim Ausüben seiner Tätigkeit erschossen wurde, wurden die Sicherheitsvorkehrungen überall verschärft. Und das sei richtig so, sagt Nolte, der exakt seit 20 Jahren Richter ist.
Er wird in Wittenberg auch Verhandlungen leiten, sein neues Hauptbetätigungsfeld ist aber die Verwaltung. Und auch diese Arbeit kennt er bereits - als Präsidial-Richter am Oberlandesgericht in Naumburg. Der gebürtige Tübinger (Baden-Württemberg) wird nach Jurastudium und Referendariat als Richter auf Probe in Sachsen-Anhalt ernannt, war Jugend-, Zivil- und Güte-Richter sowie Staatsanwalt. Nichts Besonderes, eher ein ganz normaler Berufsweg, meint der Direktor, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. Der Mann geht gern ins Theater, spielt Klavier und ist ein Segler. Sein Heimat-Revier ist die Goitzsche. (mz)