1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Unternehmen im Landkreis Wittenberg: Was eine Chronik über das Ringhotel in Wörlitz erzählt

Unternehmen im Landkreis Wittenberg Was eine Chronik über das Ringhotel in Wörlitz erzählt

Seit 110 Jahren kümmert sich in Wörlitz die Familie Pirl um Gäste. Wer zur Geburtstagsfeier ins Ringhotel „Zum Stein“ gekommen ist, wie sich das Haus entwickelt hat und was der Landrat sagt.

Von Corinna Nitz 22.03.2024, 16:07
Vor 110 Jahren legte Ewald Pirl sen. in Wörlitz den Grundstein für das heutige Ringhotel  „Zum Stein“. Dieser Geburtstag des Familienunternehmens, das inzwischen  mehr als 80 Menschen beschäftigt, wurde jetzt gefeiert. Der Andrang war groß.
Vor 110 Jahren legte Ewald Pirl sen. in Wörlitz den Grundstein für das heutige Ringhotel „Zum Stein“. Dieser Geburtstag des Familienunternehmens, das inzwischen mehr als 80 Menschen beschäftigt, wurde jetzt gefeiert. Der Andrang war groß. (Foto: Thomas Klitzsch)

Wörlitz/MZ. - Als ein Aushängeschild für den Landkreis und das Gartenreich bezeichnete Wittenbergs Landrat Christian Tylsch (CDU) in seinem Wochenrückblick letzten Freitag das Ringhotel „Zum Stein“ in Wörlitz. Bereits am Vorabend war er selbst dort zu Gast, um zum 110. Geburtstag zu gratulieren: So viele Jahre schon gibt es das familiengeführte Haus.

Illustrierte Chronik

Das ist damit nur unwesentlich jünger als große Traditionshotels wie etwa das „Adlon“ in Berlin. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um Vergleiche, sondern für die Erwähnung des berühmten Hauses am Brandenburger Tor gibt es einen Grund. Einst hat der Urgroßvater der heutigen Betreiber des Wörlitzer Hauses, Ewald Pirl senior, dort gelernt. Erwähnung findet das auch in einer Chronik, die jetzt anlässlich des 110-jährigen Bestehens des Ringhotels „Zum Stein“ erschienen ist und die – mit Vorworten versehen beispielsweise vom Oranienbaum-Wörlitzer Bürgermeister Maik Strömer – auf 76 reich illustrierten Seiten (Text: Andreas Behling) bekannt macht mit einer Familie, deren Mitglieder über Generationen ihr Leben in den Dienst der Gastfreundschaft gestellt haben und das bis heute tun.

Sag’s mit Blumen. Zu den „Geburtstagsgästen“ gehörte auch Ortsbürgermeisterin Erika Miertsch, die  Michael Pirl gratuliert. Rechts: Christian Pirl
Sag’s mit Blumen. Zu den „Geburtstagsgästen“ gehörte auch Ortsbürgermeisterin Erika Miertsch, die Michael Pirl gratuliert. Rechts: Christian Pirl
(Foto: Thomas Klitzsch)

„110 Jahre Gastlichkeit 1914-2024“ titelt die Publikation, deren Lektüre empfohlen werden kann und die nach Auskunft von Michael Pirl zum Preis von 21,80 Euro im Hotel erhältlich ist. Beim Gründungsdatum denkt man unweigerlich an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, auch der Gastwirt wurde Soldat. Die Stellung zu Hause gehalten hat seine Frau, die das „Gasthaus zum Stein“ auch später als Witwe weiter betrieb. So geht das weiter: In großen Bögen wird die Geschichte der Pirls und des Unternehmens erzählt und dabei auch Zeitgeschichte verhandelt. Vier politische Systeme sind über das Haus und die Familie gegangen. Im fünften nun konnte man sich offenbar bisher gut entfalten, wie auch ein Blick auf eine Übersichtsaufnahme der Gesamtanlage nahelegt. Nach bescheidenen Anfängen kam 1933 ein zweiter Bauteil hinzu, bei dem es sich um den heutigen Restaurantbereich handelt. Investiert wurde besonders nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung in den 1990ern und von 2011 bis 2013. In diesem Zeitraum entstand unter anderem der Neubau eines Außenschwimmbeckens, einer Solegrotte und neben derlei Annehmlichkeiten für Gäste wurde im Hinblick auf einen zeitgemäßen Betrieb in eine neue Technikzentrale mit Blockheizkraftwerk investiert. Man sei, so Pirl zur MZ, „organisch gewachsen“.

Aus zehn Nationen

Hinsichtlich der Jahre in der DDR sagt Pirl, man war als Privatbetrieb „schaumgebremst“. Dabei hatten sie noch Glück im Unglück, denn von den 1972 in der SED-Diktatur umgesetzten Enteignungen von Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten, blieben sie verschont, „wir waren zu dieser Zeit zu klein“.

Auch das hat sich längst geändert. Und abgesehen von über 100 jungen Menschen, die seit der Wiedervereinigung im Unternehmen eine Ausbildung in verschiedenen Berufen absolvierten, haben sie inzwischen mehr als 80 Beschäftigte aus zehn Nationen.

Internationalität wurde in der Vergangenheit immer wieder auch an anderer Stelle sichtbar, wenn etwa europäischer Hochadel oder Politprominenz im Gartenreich zu Gast waren und das Ringhotel „Zum Stein“ die Verköstigung übernahm. Auf prominente Besucher aus dem Aus- und Inland angesprochen sagt Pirl allerdings: „Wir freuen uns über jeden Gast und alle werden mit der gleichen Gastfreundschaft empfangen.“

Was geplant ist

Das galt auch für jene Gästeschar, die man sich jetzt zum 110. Geburtstag eingeladen hatte und zu der neben Vertretern aus der Politik natürlich die Familie gehörte, aber ebenso „Kollegen aus dem Ort“, weil, wie Michael Pirl findet, es nur gemeinsam geht. Im Übrigen sei er „optimistisch, was die Zukunft des Ortes und des Hotels betrifft“. Mit dem Familienbetrieb etwa, der bald in die fünfte Generation geht, wolle man energieautark werden. Investiert wird auch in die Digitalisierung. Was den Ort betrifft, da erinnert Pirl an die im Rahmen des Masterplans fürs Dessau-Wörlitzer Gartenreich und die Kulturstiftung in Aussicht gestellten 150 Millionen Euro. Er geht davon aus, dass sich das positiv auf alles auswirken kann.

Und was wünscht er sich? „Frieden“, antwortet der Unternehmer und auch dies: „Dass Menschen einander zuhören und die Meinung des anderen akzeptieren.“