Verlegt wegen Deutschlandspiel Verlegt wegen Deutschlandspiel: Vernissage zur Kolbe-Ausstellung öffnet eher

wörlitz/MZ - Etwas Organisatorisches vorweg: Weil die Fifa kein Einsehen hatte und das WM-Viertelfinalspiel am Freitag nicht auf einen anderen Zeitpunkt verlegte, hat die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz umdisponiert: Die Vernissage der Kabinettausstellung mit Radierungen von Carl Wilhelm Kolbe beginnt bereits um 16 Uhr und es gibt insoweit keinen Grund mehr, den Kunstgenuss dem Sportvergnügen zu opfern.
Bereits 2009 ehrte die Anhaltische Gemäldegalerie den Dessauer Grafiker, Lehrer und Schriftsteller Kolbe mit einer Ausstellung aus Anlass seines 250. Geburtstages. Nun hat die Kulturstiftung aus ihrer eigenen, gut 200 Grafiken umfassenden Kolbe-Sammlung 34 Blätter ausgewählt, die sich ausgezeichnet in das Jahresthema „Flora - Fauna - Gartenreich“ einfügen.
Beginn der Vernissage am 4. Juli ist um 16 Uhr. Danach kann die Kolbe-Schau nur im Rahmen von Führungen (u. a. am 8., 15. und 22. Juli, 17.30 Uhr) oder auf Nachfrage besichtigt werden.
Bespielt werden vier Räume im Haus der Fürstin in Wörlitz; zu sehen gibt es allegorische Arbeiten, die von der Fantasie Kolbes und besonders von dessen Meisterschaft zeugen. Liebespaare, mythologische Kreaturen und Tiere hat Kolbe, der als junger Mann von Berlin nach Dessau kam, in eine faszinierende Natur gestellt. Die erscheint auf den Kräuterblättern übermächtig oder um es mit Wolfgang Savelsberg von der Kulturstiftung zu sagen: „Man hat den Eindruck, die Natur überwuchert alles.“ Grandios sind die Eichen, die Kolbe verewigte, wobei er auch dort manchmal fast schon ins Surreale glitt. Andere Blätter zeigen Szenen, die ganz konkret anmuten und deutlich im Gartenreich verortet sind. Immer bestechend ist die Präzision und Detailgenauigkeit, mit der Kolbe vorgangen ist: Auf dem Blatt „Die große Kuh im Sumpf“ etwa ist praktisch jedes Härchen im Fell des Tieres zu erkennen.
Französisch- und Zeichenlehrer am Philanthropinum
Ausgewählt und zusammengestellt wurden die Blätter von Ingo Pfeifer und Uwe Quilitzsch. Gemeinsam mit Savelsberg haben sie am Donnerstagvormittag Medienvertreter zu einer Vorbesichtigung der Ausstellung eingeladen. Sie wissen viel über den begnadeten Künstler Kolbe, der aus eher bescheidenen Verhältnissen stammte. Seine Mutter war Hugenottin, in Berlin absolvierte er die französische Gelehrtenschule, später wurde er am Dessauer Philanthropinum selbst als Französisch- und Zeichenlehrer tätig. Parallel erschienen seine ersten Mappen mit Radierungen und Landschaftsmalereien.
Ihn interessierte beides - die Sprachwissenschaft und die bildende Kunst. Doch als 1793 das Philanthropinum geschlossen wurde, entschied er sich endgültig für eine Künstlerlaufbahn. In Berlin wurde er Schüler an der Akademie, 1795 folgte er dem erneuten Ruf von Fürst Franz nach Dessau, wo an der Chalkographischen Gesellschaft eine Zeichenschule gegründet werden sollte. Das Projekt kam nicht zustande, dennoch wurde Kolbe drei Jahre später zum Hofkupferstecher ernannt. Und er unterrichtete weiter, zu seinen berühmten Schülern gehörte Herzog Leopold Friedrich. 1835 starb Kolbe in Dessau, aus dem kulturellen Erbe des Gartenreichs ist er nicht wegzudenken.
Kolbe war ein Sonderling
Zurück ins Haus der Fürstin, das Graue Haus. Namen machen die Runde: Johann Friedrich Bolt, Freund und Verleger in Berlin. Salomon Gessner, nach den Gemälden des Züricher Künstlers fertigte Kolbe seine so genannten Idyllen. Anthonie Waterloo (1609 bis 1676), der niederländische Maler und Radierer gehörte zu Kolbes Vorbildern. Und dann ist da Kolbe selbst, in der Schau steht eine Büste jenes Mannes, den Quilitzsch einen Sonderling nennt. Tatsächlich wendet Kolbe sich ab und zeigt dem Betrachter stattdessen sein Handwerkszeug, Radiernadeln, Griffel...