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Türöffner für Agrarkonzerne Türöffner für Agrarkonzerne: Ex-Minister unterstützt Bau von Mastanlagen

Von Steffen Höhne 20.06.2018, 08:00
Helmut Rehhahn steht im riesigen Gewächshaus in Wittenberg. Dort reifen die sogenannten Luther-Tomaten.
Helmut Rehhahn steht im riesigen Gewächshaus in Wittenberg. Dort reifen die sogenannten Luther-Tomaten. Steffen  Höhne

Wittenberg - Leichtfüßig springt Helmut Rehhahn aus seinem schwarzen Geländewagen. Er trägt Turnschuhe, Jeans, und ein blaues Hemd, an dem die oberen zwei Knöpfe geöffnet sind. „Entschuldigung, ich bin zu spät. Das kommt davon, wenn ich Termine nicht gleich ins Handy eintrage.“ Dass der agile, braun gebrannte Mann bereits 70 Jahre ist, sieht man ihm nicht an.

Rehhahn hat in seinem Leben schon einige Jobs erledigt. Er war Betriebsleiter in einem volkseigenen Gut, Biobauer, SPD-Landtagsabgeordneter, Minister sowie Projektmanager für den Bau riesiger Schweinemastanlagen und neuerdings Gewächshäuser. Er zählt zu den einflussreichsten Agrarberatern Sachsen-Anhalts.

Als „schillernde Persönlichkeit“ in der Landwirtschaft, wird er von einigen beschrieben. „Großer Geschäftemacher“, nennen ihn andere. Der Agrar-Manager wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich. Ein Beispiel: Als ehemaliger Bio-Landwirt ist er Verfechter der Massentierhaltung.

Bauern seit Luthers Zeiten

Um Rehhahns Wirken zu verstehen, ist es wichtig seine Wurzeln zu kennen. Er stammt aus dem kleinen Ort Darbun bei Wittenberg. Seine Familie betreibt dort seit Jahrhunderten Landwirtschaft. „Der Ahnenbaum reicht bis zur Zeit Luthers zurück“, berichtet er. Er ist zwischen Kühen, Gänsen und Schweinen aufgewachsen, der Bauernhof der Familie wurde erst Anfang der 60er Jahre in eine Landwirtschaftliche Produktionsgesellschaft (LPG) eingegliedert. Rehhahn nahm das damals aber nicht als Verlust wahr:

„Erstmals konnten auch wir dann in den Urlaub fahren“, sagt er. Sein Vater wurde Betriebsleiter. Nach dem Abitur studierte Rehhahn Landwirtschaft in Halle und Leipzig. Ihm stand eine akademische Laufbahn offen, doch er entschied sich für Rinderzucht in seiner Heimat. Nebenberuflich züchtete er eigene Schweine und Rinder, das sorgte für einen ordentlichen Zuverdienst. In die SED trat er nicht ein. „Ich konnte auch in der zweiten Reihe interessante Aufgaben übernehmen.“

Nach der Wende gründete Familie Rehhahn Biobetrieb

Nach der Wende erhielt seine Familie die 50 Hektar Land zurück und gründete einen Biobetrieb mit Mutterkühen. Rehhahn war damit einer der ersten Bio-Bauern Sachsen-Anhalts. „Mit unserem vielen Grünland war das, das Praktischste.“ Zeitgleich trat er in die SPD ein und wurde 1990 in den ersten Landtag gewählt. Als die Sozialdemokraten 1994 die Regierungsverantwortung übernahmen, war Rehhahn einer von zwei Bauern in der Fraktion.

„Über Nacht wurde ich Landwirtschaftsminister, ich hatte das nicht angestrebt.“ Er blieb es allerdings nur zwei Jahre. Rehhahn stolperte, wenn man so will, über seine zahlreichen Geschäfte. Als Minister musste er die Führung seines Betriebes abgeben, machte sich aber dafür stark, dass die Firma Fördermittel erhielt. Die Opposition warf ihm Amtsmissbrauch vor. Das bestätigte sich später nicht. „Aus Unerfahrenheit habe ich aber eine politische Dummheit begangen.“ Rehhahn stellte sein Amt zur Verfügung und widmete sich schnell wieder seinen landwirtschaftlichen Geschäften.

Rehhahn fungierte als Vermittler und Türöffner

Schon vor seinem Ausscheiden aus dem Landtag 2002 fungierte er als eine Art Vermittler und Türöffner für landwirtschaftliche Großprojekte. Er nutzte seine zahlreichen Kontakte. Auf alten Militärflugplätzen in Ostdeutschland schob er unter anderem die Errichtung von Schweinemastanlagen an. Rehhahn selbst spricht von „intensiver Tierzucht“, die er auch verteidigt.

„Dem Schwein, das mit zwölf Artgenossen zusammenlebt, ist es egal, ob in der Gesamtanlage 2.000 oder 12.000 Tiere leben“, sagt er. In Großanlagen sei die Hygiene häufig besser und der Einsatz von Medikamenten geringer als in kleineren Ställen. Das hängt aus seiner Sicht damit zusammen, dass es spezialisiertere und professionellere Mitarbeiter gibt. Gegen eines der Großprojekte, eine Schweinemastanlage mit mehr als 30.000 Tieren in Haßleben (Brandenburg), laufen Umweltschützer seit Jahren Sturm. Nach Ansicht der Kritiker ist in solchen Großanlagen eine artgerechte Haltung der Tiere gerade nicht möglich. Sie würden auf engstem Raum gehalten, Krankheiten sich schnell ausbreiten.

Rehhahn: „Es gibt in Deutschland unglaublich viele Hürden“

Rehhahn berät die niederländischen Investoren, stellt Anträge bei Behörden und vermittelt zur Politik. „Es gibt in Deutschland unglaublich viele Auflagen und Hürden, doch mit Kompromissen findet sich meist auch ein Weg“, sagt der Unternehmensberater.

Rehhahn wurde jedoch auch unsauberes Vorgehen dabei vorgeworfen. Vor zehn Jahren gab es ein Verfahren wegen Bestechung von Amtsträgern gegen ihn. Rehhahn räumte vor Gericht ein, einer ehrenamtlichen Bürgermeisterin Geld geboten zu haben, wenn sie sich für ein auf Eis gelegtes Projekt einsetzt. Nach mehreren Prozessen entschied das Landgericht Magdeburg letztendlich, dass es sich nicht um Bestechung handelte. In den Augen Rehhahns sollten die angebotenen 10.000 Euro dafür sein, dass die Gemeinde sich besser entwickeln kann.

Großprojekt „Luther-Tomate“ in Wittenberg

Rehhahns Erfolg und Reputation in der Landwirtschaft haben weder die Prozesse noch die Kritik der Umweltschützer nachhaltig erschüttert. Vielmehr hat der Berater in den vergangenen Jahren ein ganz neues Geschäftsfeld erschlossen: In seiner Heimatregion Wittenberg hat er den Bau eines riesigen Gewächshauses angeschoben.

Auf 22 Hektar unter Glas wächst heute unter anderem die sogenannte Luther-Tomate, die von Einzelhändlern wie Rewe regional verkauft wird. Hinter dem Projekt stehen niederländische Gemüsebauern. Das Gewächshaus nutzt Restwärme und Kohlendioxid des benachbarten Chemie-Werks SKW Piesteritz. „Nur dadurch rechnet sich der energieintensive Betrieb“, erklärt Rehhahn.

Fasziniert ist der Landwirt vom Gewächshaus selbst. Die dort wachsenden Tomaten stehen in Nährlösungen. Der Prozess wird weitgehend von Computern gesteuert. „Probleme mit zu viel oder zu wenig Regen haben wir hier nicht“, sagt Rehhahn. Die Grenzen zwischen Landwirtschaft und industrieller Produktion verschwimmen in solchen Anlagen. „Weitere solche Projekte sind in Planung“, sagt er. „Damit wird auch ein Stück Zukunft für die Region gesichert.“

Der Vater von drei erwachsenen Töchtern will sich auch mit 70 Jahren nicht zur Ruhe setzen. „Ich schätze meine Unabhängigkeit, das war mir immer wichtig.“ Ausgleich findet er nach eigenen Worten bei der Jagd. Dabei geht es ihm nicht vorrangig um das Jagen von Tieren. „Ich bin in der Natur, das Handy ist aus, ich will nichts erreichen“, beschreibt er. Es steht im Gegensatz zu seinem sonstigen Wirken. Beruflich ist Rehhahn weiter auf dem Sprung. (mz)

Die Pflanzen im Wittenberger Gewächshaus wachsen in Nährlösungen.
Die Pflanzen im Wittenberger Gewächshaus wachsen in Nährlösungen.
dpa
Helmut Rehhahn steht im riesigen Gewächshaus in Wittenberg. Dort reifen die sogenannten Luther-Tomaten.
Helmut Rehhahn steht im riesigen Gewächshaus in Wittenberg. Dort reifen die sogenannten Luther-Tomaten.
Steffen Höhne