Tragödie am Arsenal Tragödie am Arsenal: Totschlag oder Notwehr?

Wittenberg - Der Todesfall Marcus H. kann erst nach dem Abschluss der Ermittlungen seriös bewertet werden. Das erklärt am Freitag auf MZ-Anfrage Frank Baumgarten. Der Pressesprecher der Magdeburger Staatsanwaltschaft bestätigt aber Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung gegen einen Flüchtling aus Syrien.
Es geht um die Tragödie vor dem Wittenberger Einkaufszentrum Arsenal im September 2017. Marcus H. stirbt an den Folgen eines Sturzes. Die Schädelverletzungen, das ist das Ergebnis der Obduktion, sind eindeutig die Todesursache.
Vorausgegangen ist dem ein Streit mit einem 17-jährigen Syrer. Die Altersangabe wird von den Behörden offiziell so publiziert. Vom tödlichen Vorfall existieren zwei Videos aus Überwachungskameras. Eine Rangelei, aber auch Schläge sollen darauf zu sehen sein.
Aber die Aufzeichnungen verfügen über keinen Ton. Und die Zeugen widersprechen sich. „Die Vernehmungen dauern noch an“, sagt dazu Baumgarten. Erst nach Abschluss der Recherchen könne eingeschätzt werden, ob es sich möglicherweise um „Totschlag oder Notwehr“ handele.
Klaus Tewes hat sich die entscheidenden Videosequenzen angeschaut. Der Mann der Generalstaatsanwaltschaft warnt „vor vorschnellen Bewertungen“ und hält auch „unterschiedliche Auffassungen“ von Staatsanwaltschaften oder innerhalb eine Behörde für nicht ungewöhnlich.
Der Dessauer Chef hat Stunden nach dem Vorfall in einer Pressemitteilung bereits von Notwehr geschrieben. Das freilich wird zur Munition für die Alternative für Deutschland (AfD). Die Partei erzwingt eine Landtagsdebatte. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) überträgt die Aufklärung des Falles Magdeburg und nennt den Wohnortwechsel des Beschuldigten als Grund dafür. Die AfD-Kritik an den Dessauer Ermittlern weist sie aber zurück. „Gegen dieses Angriffe verwahre ich mich“, sagt Keding.
Am Freitag gibt es eine Fortsetzung der Debatte im Rechtsausschuss des Landtags. Er könne aus „ermittlungstaktischen Gründen“ keine Details nennen, betont dabei Staatssekretär Hubert Böning. Darüber hinaus bestehe bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung, so der Mann, der acht Jahre lang selbst Oberstaatsanwalt war.
„Die AfD-Fragen waren penetrant und bohrend“, sagt Böning, der sich aber davon nicht beeindrucken lässt. Sein Statement wird von Detlef Gürth (CDU) als erwartungsgemäß eingestuft.
Schließlich habe es sich um eine öffentliche Sitzung vor Zuschauern und der Presse gehandelt. „Das ist ein Handicap“, so der Vorsitzende des Gremiums. „Es ist nicht Aufgabe der Politik oder von Abgeordneten, selbst zu ermitteln“, betont er. Die AfD habe auf „drastische Worte“ verzichtet. Gürth glaubt, das liege an einer „gepflegten Streitkultur“ im Ausschuss.
Vor der Sitzung aber wurden schwere Vorwürfe in den sozialen Medien und in einer Pressemitteilung erhoben. „Es ist traurig, dass wir mit eigenen Journalisten die Arbeit der Staatsanwaltschaft übernehmen müssen“, schreibt der freie Autor und Verleger Philip Stein. Sein der AfD nahe stehendes Netzwerk behauptet, dass sich „Täter und Opfer“ kannten.
„Die Theorie der Zufallsbegegnung inklusive Notwehr ist nicht zu halten“ und: „Der erste körperliche Kontakt ging vom Täter aus.“ Böning sagt dazu: „Wenn es neue Erkenntnisse gibt, sollten die sofort der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden. Wir sind an einer Aufklärung sehr interessiert.“ (mz)