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Tradition in Coswig Tradition in Coswig: Sonntag beginnt 23. Laurentiusmarkt

Von ilka hillger 04.08.2015, 19:07
Henry Stricker bei der Arbeit: Am 8. August ist der Uhrmacher wieder beim Laurentiusmarkt im Einsatz.
Henry Stricker bei der Arbeit: Am 8. August ist der Uhrmacher wieder beim Laurentiusmarkt im Einsatz. klitzsch Lizenz

coswig - 1993 besann sich das Coswiger Handwerk auf eine alte Tradition. Auf dem Tisch vor Henry Stricker liegen die farbigen Titelblätter des Amtsblattes, die vor mehr als 20 Jahren den Laurentiusmarkt der Neuzeit ausriefen. „Inzwischen ist der Laurentiusmarkt eine der großen Veranstaltungen des Sommers in der Stadt“, erzählt der Uhrmachermeister aus der Friederikenstraße. Stricker ist gewissermaßen ein Marktmacher der ersten Stunde. Als damals Museumsdirektor Karl Schmidt die Idee für den Markt hatte, gehörte er zu den Gewerbetreibenden, die sich sofort begeistern ließen.

Stricker war da schon einige Jahre Chef der traditionsreichen Uhrmacherwerkstatt im Herzen der Stadt. 1987 machte er sich selbstständig, übernahm das Geschäft von seinem Meister Willy Schlüter. Sein Lehrbetrieb war hingegen ein Unternehmen, das man kaum mit einem Uhrmacher in Verbindung bringen würde. Doch das DHW Rodleben brauchte zu DDR-Zeiten einen Uhrmacher. Es gab etliche Werksuhren. „Irgendwann waren die aber alle repariert und liefen“, sagt Stricker, der schnell auch für andere Reparaturdienste herangezogen wurde und schließlich dankbar in sein ursprüngliches Metier und in Schlüters Werkstatt wechselte, der einen Gesellen suchte.

So ließ sich in der Coswiger Friederikenstraße das Traditionsgeschäft fortführen, das Schlüters Schwiegervater Erich Projahn 1906 gründete. Fast 30 Jahre hat Henry Stricker gemeinsam mit seiner Ehefrau Sabine nun schon an der Firmengeschichte mitgeschrieben. „Von über 35 Kollegen in der Region als ich damals anfing sind heute vielleicht noch drei bis vier geblieben“, sagt der 51-Jährige. Er mutmaßt, wohl der letzte Coswiger Uhrmacher zu werden. Längst habe sich auch sein Angebot gewandelt. „Wir mussten uns weiter entwickeln und am Ball bleiben“, so der Uhrmachermeister. Schmuck kam ins Programm des Geschäftes, er übernahm Goldschmiedearbeiten. Am liebsten hat er aber doch sein ursprüngliches Handwerk. „Wenn ich alten Sachen wieder Leben einhauchen kann, Dinge zum Laufen bringe, dann macht es Spaß“, sagt der Handwerker. Die dafür notwendige ruhige Hand und das gute Auge hat er sich bewahrt. „Das braucht man.“ Beim Laurentiusmarkt am 8. August wird Stricker freilich nicht die Muße haben, sich die Lupe zwischen das Auge zu klemmen. „Dann ist davor und danach Auf- und Abbau angesagt“, beschreibt der Uhrmacher seinen Part beim Traditionsmarkt, der auf das Jahr 1566 zurück geht. Museumsdirektor Schmidt fand einen entsprechenden Eintrag im Coswiger Landbuch aus jenem Jahr. „Uff den Sontagk nach Laurenti wird jehrlich ein offentlicher marckt zu Cowigk gehalten...“, steht da geschrieben. Laurenti war der Namenstag des heiligen Laurentius, der im dritten Jahrhundert Geistlicher in Rom war und Kirchenschätze an Arme verteilt haben soll. Weil er sich zudem kritisch zum römischen Staatswesen geäußert haben soll, wurde er auf einem Rost über glühendem Feuer zu Tode gemartert. Laurentius wird seit dem 13. Jahrhundert in Deutschland verehrt und gilt als Schutzpatron der Berufe, die mit dem Feuer zu tun haben (Bäcker, Köhler, Feuerwehr). In Coswig dienen Grillroste am 8. August freilich nur für Würstchen und Steaks, denn neben der Leistungsschau des städtischen Gewerbes und Handwerks gehört natürlich auch ein kulinarisches und Unterhaltungsangebot zum Laurentiusmarkt. „Der Markt ist immer eine schöne Gelegenheit, mit den Kunden auch mal länger ins Gespräch zu kommen“, findet Henry Stricker. Natürlich schaut er den Leuten dann auch auf die Uhr. „Das ist angeboren“, lacht er. Wenn sich der eine oder andere für einen neuen Zeitmesser am Arm entscheidet, dann hat er auch nichts dagegen. (mz)