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Tourismus  Tourist in Wittenberg: Wer darf sich um Gäste in der Lutherstadt kümmern?

Von Irina Steinmann 05.11.2016, 06:00
Eine Touristengruppe aus Amerika an der Schlosskirche, geführt von Katja Köhler. Ganz in der Nähe ist die Tourist-Information Wittenberg zu finden.
Eine Touristengruppe aus Amerika an der Schlosskirche, geführt von Katja Köhler. Ganz in der Nähe ist die Tourist-Information Wittenberg zu finden. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Das Tourismusgeschäft der Lutherstadt Wittenberg wird für die Zeit nach 2017 neu ausgeschrieben. Da das - europaweite - Verfahren nach Angaben der Stadt schon als solches erwartungsgemäß „sehr zeitaufwändig“ ist, soll es „noch im Herbst“, also jetzt, beginnen.

Der Stadtrat hat auf seiner jüngsten Sitzung in der vergangenen Woche den Weg dafür freigemacht, indem er Mittel in Höhe von maximal jährlich 390.000 Euro für den Zeitraum 2018 bis 2021 der Lutherstadt Wittenberg Marketing GmbH für diesen Zweck zur Verfügung stellen möchte. Diese Summe sei notwendig, um den „Bindungswillen“ der Stadt gegenüber Interessenten zu dokumentieren, erläuterte Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) und fügte sinngemäß hinzu, für lediglich ein einziges Jahr ließe sich niemand gewinnen.

Seit 2010 Vertrag mit Unternehmen Glücksburg

Das Tourismusgeschäft gehört formal zu den Aufgaben der städtischen Marketing-Gesellschaft, die diese Aufgabe auf Grundlage eines so genannten Geschäftsbesorgungsvertrags an einen Dritten abgegeben hat. Seit dem Jahr 2010 besteht ein entsprechender Vertrag mit der GLC Glücksburg Consulting AG, welcher wie gesagt 2017 nach zweimaliger Verlängerung regulär ausläuft.

„Natürlich“ könne sich GLC erneut bewerben, betonte auf MZ-Anfrage Wittenbergs Marketing-Chef Johannes Winkelmann. Ob er das auch gutheißen würde, dazu äußerte er sich nicht.

Vergeben wird die Besorgung des Wittenberger Tourismusgeschäfts auf zunächst zwei Jahre, 2018/2019, mit der Option auf einmalige Verlängerung um weitere zwei Jahre, also bis 2021. „Dieser Zeitraum“, so Marketing-Geschäftsführer Winkelmann, „erweist sich aus Gründen der im Tourismusbereich üblichen notwendigen längerfristigen Planung als realistisch und üblich.“

Das Ansinnen, der Marketing GmbH zwecks Ausschreibung des Tourismusgeschäfts auf Jahre hinaus die genannten Mittel zuzusichern, war im Stadtrat sehr sehr vereinzelt, dafür aber um so heftiger, auf Kritik gestoßen. Einen „Nachschuss“ für die Marketing-Gesellschaft glaubte der fraktionslose Stadtrat Manfred Schildhauer (CDU) in dem Vorschuss ausgemacht zu haben.

Weniger als um Kritik daran, dass hier finanzielle Zusagen getroffen würden, die über ein Jahr hinausgingen, ging es Schildhauer ganz offenkundig um eine Abrechnung mit der Marketing-Gesellschaft. Die reicht die genannten Mittel fürs Tourismusgeschäft - schon bisher jährlich 390.000 Euro - direkt an den Tourismusbesorger GLC weiter, der eventuell erwirtschaftete Überschüsse dann wiederum zurückgibt, und kümmert sich selbst ums Stadtmarketing und die Organisation von Kulturveranstaltungen, also nicht um Tourismus.

„Vehement“ hatte Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) nach Schildhauers Äußerungen noch im Stadtrat Kritik an den Mitarbeitern der Marketing-Gesellschaft zurückgewiesen. Dass wiederum das Verhältnis von GLC und Stadt nicht völlig frei von Differenzen war, steht auf einem anderen Blatt.

Beispielhaft mag hierfür das Ringen um den Standort der von GLC betriebenen Touristen-Information stehen. Überlegungen, den Standort von der 1a-Lage Thesentür zum Arsenalplatz zu verlagern, hatte GLC stets zurückgewiesen. Und so wird auch der künftige - alte oder neue - Geschäftsbesorger zwei Orte bespielen, den Hauptsitz gegenüber der Schlosskirche und die kleine Dependance im Zentralen Besucherempfang.

„Der Standort Mauerstraße (Stadthaus)“, heißt es dazu im Zusammenhang mit der aktuellen Ausschreibung, „wird momentan aus förderrechtlichen und logistischen Gründen und auf Wunsch der Stadt nur als Info-Punkt betrieben.“ Unter anderem kann man dort Tickets kaufen, neuerdings auch für die nach längerer Schließzeit am Sonntag wiedereröffnete „Historische Stadtinformation“ in der alten Klosterkirche. Auch der Zugang zu dieser Askanier-Präsentation erfolgt nun über das Stadthaus an der Mauerstraße, so die Leiterin der heutigen Touristen-Information, Kristin Ruske.

Hamburger Unternehmen GLC will sich erneut bewerben

Das Hamburger Unternehmen GLC kündigte unterdessen an, sich für 2018 ff. erneut um das Tourismusgeschäft der Lutherstadt bewerben zu wollen. „Ja, natürlich“, antwortete Marketing-Vorstand Edith Brasche auf eine Anfrage der MZ. GLC sei in der Stadt inzwischen schließlich mit einem großen Mitarbeiterstab und allgemein stark vertreten.

Was die derzeitige „Informationsstelle“ im Stadthaus angehe, so „füllen wir dort die Rahmenbedingungen aus“, machte Brasche ein künftiges Mehr - auch an Personal - von der Entwicklung des Standorts abhängig. Die Stadt hat bereits vor Jahren angekündigt, den Zentralen Besucherempfang zu der Anlaufstelle für Touristen(-busse) machen zu wollen. „Wir sind jetzt gemeinsam dabei, das Stadthaus in Szene zu setzen“, so die GLC-Vorstandsfrau.

Marketing im Bereich Tagungen und Kongresse erweitern

Wer auch immer am Ende den Zuschlag für die Besorgung des Wittenberger Tourismusgeschäfts bekommen wird, er wird sich neben den klassischen Aufgaben wie etwa Zimmervermittlung und Souvenirverkauf, Messepräsenz und Stadtführungen um ein weiteres Feld kümmern müssen: Da die Stadt künftig deutlich mehr vom Tagungs- und Kongresstourismus profitieren möchte, soll das einschlägige Marketing verstärkt werden.

Es gibt schließlich ein Leben nach Luther 2017, für eine verkehrsgünstig gelegene kleine Stadt zwischen zwei Metropolen. „Nach 2017“ - soll heißen: wegen 2017 - „sind die Infrastrukturen da“, um Wittenberg noch ganz anders anbieten zu können als Tagungsstandort, zeigte sich GLC-Vorstand Brasche zuversichtlich. (mz)