Tierisches Wittenberg Tierisches Wittenberg: Naschbär oder Waschbär im Baumarkt?

Wittenberg - Die einen finden sie possierlich, die anderen sehen in ihnen eine Gefahr für die heimische Tierwelt. Am Waschbären scheiden sich die Geister - und beides stimmt. Längst sind die zugewanderten Tierchen auch im Landkreis Wittenberg eher die Regel als die Ausnahme. „Es sind viele“ und sie seien im Kreis auch „flächendeckend vertreten“, sagt Götz Lehmann, der in der Kreisverwaltung als Abteilungsleiter für Allgemeines Ordnungsrecht indirekt auch für den Waschbären zuständig ist.
Der Kreis ist vorrangig als Untere Jagdbehörde mit dem Tier befasst: Der Waschbär ist - anders als etwa Wolf und Biber - nämlich ein jagdbares Tier.
Abschusszahlen steigen
Und das, findet Lehmann, sei auch gut so. Exakt 2039 Waschbären wurden 2017 - das sind die aktuellen Zahlen, die Meldungen aus den einzelnen Revieren für das vergangene Jahr stehen Lehmann zufolge noch aus - im Landkreis Wittenberg zur Strecke gebracht.
Tendenz, wie allgemein auch der Bestand, weiterhin steigend. „Die Jäger wissen, dass der Waschbär wie Mink und Marderhund nicht hierhergehört“, weil er in die Fauna eingreife und insbesondere unter Vögeln „große Schäden“ anrichten könne. Freilich sei der Waschbär auch ein großer „Nahrungsopportunist“, so Lehmann, soll heißen, er nimmt stets, was er kriegen kann.
Vor diesem Hintergrund ist zumindest nicht ganz klar, was er, der Waschbär, ausgerechnet im „Obi“ will. Von dort erreichten die MZ gerade die neuesten Waschbärbildchen. Keck - aber das mag eine unzulässig menschelnde Sicht sein - blickt ein Tier aus einem Hochregal auf die Fotografin herab.
„Die sind rotzfrech“, bestätigt allerdings Frank Wecke, der Leiter des Baumarkts. Seit ein paar Wochen tummeln sich Wecke zufolge vier oder fünf Tiere auf dem Obi-Freigelände. Vielleicht handele es sich um eine Familie, jedenfalls seien die Tiere unterschiedlich groß, und sagten auch schon mal hallo zu den Mitarbeitern am Wareneingang.
Man sei nicht glücklich über den Besuch, räumt Wecke ein, zeigt sich im Großen und Ganzen aber gelassen. „Wenn sie keinen Schaden anrichten“ - und das haben sie bisher offenbar nicht - dann sehe man auch keinen Grund, etwas gegen sie zu unternehmen, fasst der Obi-Chef die Situation zusammen. Er vermute im Übrigen, dass die Tiere zwischen seinem Baumarkt und Wikana pendeln und auf dem „Ruinengelände“ dazwischen leben.
Einbruch übers Dach
Schleckermäulchen also? Haben Sie Waschbären auf dem Gelände Ihrer Keksfabrik, Frau Böhm? Wikana-Geschäftsführerin Yvonne Böhm zeigt sich entspannt. Da gebe es allerlei Getier, „Enten, Rehe, Füchse“, alles schon mal dagewesen - und ja, auch der Waschbär. Folgender Vorfall sei allerdings schon wieder ein paar Monate her: Übers Dach, mutmaßlich über die Regenrinne, seien Waschbären sogar einmal ins Gebäude eingedrungen.
Zum Glück, sagt Böhm und das versteht man sofort in der Lebensmittelproduktion, hätten sie aber nur einen Technikraum erreicht. Und dann? „Wir haben sie gefangen - und wieder rausgelassen.“ Wo genau, sagte die Managerin nicht. Das Dach sei verstärkt worden. „Seitdem ist Ruhe.“
Was die Tiere anlockt, sei allerdings klar: Es sei der Duft aus dem „Futtercontainer“, dort landen verbrannte Kekse zur weiteren Verwendung, da klettere der Waschbär rein, sollte der Container zwecks Befüllung mal kurz offenstehen. In der Regel, so Böhm, sei das Behältnis aber verschlossen - schlechte Karten für Schleckermäuler beziehungsweise Nahrungsopportunisten.
Würde man Götz Lehmann, den Verantwortlichen für die allgemeine Ordnung und damit auch für einen möglichst reibungslosen Umgang zwischen Mensch und Mensch und Tier, um einen Tipp bitten, würde er genau dies raten: Keinen Krümel den Waschbären! Jeder soll also die eigene „Liegenschaft sichern“ und „jegliches Fressgut sicher verwahren“ - zum Beispiel sollte nichts Leckeres auf der Terrasse liegen bleiben oder - Vorsicht - auch nur im Kompost. (mz)