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Südafrikanischer Bischof zieht nach Wittenberg Südafrikanischer Bischof zieht nach Wittenberg: Vom Kap zum Kirchplatz

Von Irina Steinmann 15.07.2018, 07:28
Wilhelm Weber vor der Wittenberger Schlosskirche
Wilhelm Weber vor der Wittenberger Schlosskirche Thomas Klitzsch

Wittenberg - Ein Foto, aufgenommen an einem nebelnassen Wittenberger Wintertag, zeigt ihn unter dem Straßenschild seines Namensvetters. Er weiß also um die Assoziationen, die sein Name in der Lutherstadt verlässlich auslöst, ohne dass er dafür auch nur das Geringste tun oder sagen müsste. Freimütig räumt er ein, von dem anderen Wilhelm Weber zuvor noch nie gehört zu haben. In seiner eigenen Familie sei er freilich schon der Vierte dieses Namens, seit seine Vorfahren 1862 aufbrachen zur (dicke, dicke Anführungszeichen!) „Heidenmission“ in Afrika.

Von dort, aus Südafrika, ist Wilhelm Weber, Jahrgang 1961 und „offiziell Südafrikaner“, am 5. Juli nach Wittenberg gekommen, um in Kürze sein neues Amt anzutreten als Geschäftsführer der International Lutheran Society of Wittenberg, kurz ILSW. Der Theologe und Pfarrer wird dort Kristin Lange nachfolgen, die aus familiären Gründen den umgekehrten Weg gegangen - und in Südafrika ausgerechnet in einer kleinen Gemeinde namens Wittenberg gelandet ist. (Was bestimmt eine eigene Geschichte wert wäre.)

Zweisprachig

Perfekt zweisprachig, Englisch und Deutsch - oder Deutsch und Englisch?, erschien er den Trägern des christlichen Begegnungszentrums in der Alten Lateinschule am Kirchplatz offenkundig allein schon sprachlich überaus geeignet, die Einrichtung weiterzuentwickeln. „Man erwartet ein steigendes Interesse an Wittenberg“, sagt Wilhelm Weber über seinen Arbeitgeber, das sind die beiden konservativen evangelischen Kirchen SELK (Deutschland) und Missouri Synod (USA).

Mindestens ebenso wichtig, wenn vielleicht nicht sogar noch wichtiger ist der Umstand, dass der Mittfünfziger über fast 20 Jahre Erfahrung in der Ausbildung von Theologen verfügt. Er leitete ein entsprechendes Seminar in der Hauptstadt Pretoria und war dort auch Bischof. Neben ihrer Funktion als Anlaufstelle für christliche Besucher der immerhin 40 internationalen Mitgliedskirchen dürfte - und soll - mit Weber künftig also auch die Ausbildung, die Vermittlung des „Lutherkanons“ an die eigene Geistlichkeit eine größere Rolle spielen als bisher.

Ähnlich dem, was der Nachbar schräg gegenüber, der Lutherische Weltbund, für seine Leute anbietet. Zwar fällt Webers Ankunft gewissermaßen in ein Interregnum dort, dafür kenne er allerdings bereits gut die Nachfolgerin von Hans W. Kasch, berichtet Wilhelm Weber - über deren Südafrika-Arbeit. Im MZ-Gespräch erscheint der Südafrikaner mit den starken deutschen Wurzeln als ein ebenso verbindlicher wie umgänglicher Mensch.

Kein kühler Theologe, kein Schaumschläger. Nicht ganz so einfach ist es freilich, seinem Überschwang zu folgen, wenn er von seiner Ankunft in Wittenberg spricht (das er im Übrigen bereits seit 1986 von diversen Besuchen kennt): „Es ist für mich sehr schön“, sagt er, ja, es sei „wie nach Hause kommen“. Und er meint damit nicht das Luther-Erbe etc. etc. - sondern die Menschen. „Überall lassen einen die Leute fühlen, man ist zu Hause“, berichtet Wilhelm Weber von seinen bisherigen Erfahrungen, bei der Stadt, im Paul Gerhardt Stift, sogar bei der Ausländerbehörde und der Postbank.

Weber, Vater von vier erwachsenen Kindern, die in Europa und den USA leben (und ihn Weihnachten hoffentlich besuchen kommen), ist nicht allein nach Wittenberg umgezogen. Mit ihm hat seine Frau Angelika die Dienstwohnung im Obergeschoss der Alten Lateinschule bezogen. Sie wird, freut sich Wilhelm Weber, an der Evangelischen Gesamtschule unterrichten. Frau Weber ist vermutlich noch ein bisschen deutscher als ihr Mann - sie hat zusätzlich zu den Vorfahren die deutsche Staatsbürgerschaft und sogar noch etwas Verwandtschaft in Aken an der Elbe.

Demnächst mit eigenem Rad

So hat Wilhelm Weber schon Paddeltouren im Blick - und das Fahrrad sowieso. In dieser Woche konnte man ihn noch auf einem roten Damenrad durch die Fußgängerzone radeln sehen, eigentlich eine Hinterlassenschaft von Kristin Lange an Webers Frau, aber er wartet täglich auf die Ankunft seines eigenen. Unterdessen überlegt der Mann aus Südafrika auch, sich den Jägern anzuschließen. Nicht, dass er diese für besonders ungläubig hielte.

Es wäre allerdings, findet er, ein guter Weg, eigene Vorlieben mit einem selbst gestellten Recherche-Auftrag zu verbinden: Herauszufinden, wie sie denn ticken, die fast 90 Prozent, die in der Lutherstadt eben keiner Kirche angehören. Fürs Erste zeigte er sich positiv überrascht von der Diskrepanz zwischen der geringen Mitgliederzahl und dem großen christlichen wie auch kulturellen Angebot in Wittenberg. Das jetzt wieder einen Wilhelm Weber hat.

(mz)