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Streit um Kanal in Reinsdorf-Dobien Streit um Kanal in Reinsdorf-Dobien: Bürgermeister Zugehör hat den Kanal voll

Von Irina Steinmann 28.03.2016, 15:41
Unterm Asphalt liegt die Kampfzone. Anwohner wollen neuen Regenwasserkanal nicht bezahlen.
Unterm Asphalt liegt die Kampfzone. Anwohner wollen neuen Regenwasserkanal nicht bezahlen. baumbach

Wittenberg - Der Streit um einen neuen Regenwasserkanal für den Mochauer Weg in Reinsdorf-Dobien geht in die nächste Runde: Der Bauausschuss sah sich auf seiner Fortsetzungssitzung am Mittwoch erneut nicht in der Lage, über die Angelegenheit zu entscheiden. Man vertagte sich - mit knapper Mehrheit - auf den 4. April. Damit flog der Kanalbau auch von der Tagesordnung des unmittelbar im Anschluss tagenden Stadtrats, der das letzte Wort haben sollte.

Mangelhafte Wartung

Die Anwohner hatten das Vorhaben des Entwässerungsbetriebs, in das die Stadt als Baulastträger involviert ist, wie berichtet abgelehnt. Sie werfen den Verantwortlichen eine mangelhafte Wartung der Anlage vor und argumentieren, bei der Beseitigung der über die Jahre entstandenen Schäden handele es sich eigentlich um eine „Reparatur“. Stadt und Entwässerungsbetrieb sprechen demgegenüber von einem „Ersatzneubau“.

Das ist insofern relevant, als bei einem Neubau des Regenwasserkanals die Anwohner nicht mit zur Kasse gebeten werden könnten. „Das ist kein Neubau - der Baulastträger hat es versäumt, den (Kanal) instand zu halten“, sagt etwa Wolfgang Mittelstraß, der seit den 70er Jahren in einem damals neu gebauten Eigenheim am Mochauer Weg wohnt. Mittelstraß hatte sich im Bauausschuss am 14. März entsprechend geäußert und es gibt auch einen Briefverkehr zwischen ihm und dem Oberbürgermeister in der Angelegenheit.

Beitragspflichtige Arbeiten an Anliegerstraßen stehen in Wittenberg bisher unter dem „Zustimmungsvorbehalt“ der betroffenen Anwohner: Lehnen diese das Vorhaben mehrheitlich ab, muss der Stadtrat eine abschließende Entscheidung treffen. Grundlage der Anwendung des Zustimmungsvorbehalts ist eine Kann-Bestimmung im Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt. In jüngster Vergangenheit hat dieses Vorgehen verschiedentlich zu bösem Blut zwischen Bürgern und Stadt geführt, ein Beispiel ist etwa das Gezerre um die Kirchhofstraße. Die Verwaltung beabsichtigt daher, das Beteiligungsverfahren zu ändern. (mz/irs)

Die Stadtverwaltung hielt am Mittwoch vor Ostern in der Fortsetzungssitzung des Bauausschusses an ihrer Haltung fest, dass es sich um einen - beitragspflichtigen - Neubau handele und der Regenwasserkanal nicht durch Vernachlässigung sondern „als ganz normale altersbedingte Erscheinung“ die Schäden aufweist, die kürzlich durch eine Kamerafahrt dokumentiert wurden und als gefährlich gelten - die Straße könnte einbrechen. Wie Uwe Branschke vom Fachbereich weiter ausführte, seien sämtliche Einläufe der Grundstücke an den Regenwasserkanal angeschlossen - was von Anwohnern ebenfalls bezweifelt wird. 2002/2003 war in der Straße ein Schmutzwasserkanal verlegt worden; das Alter des desolaten Regenwasserkanals wird mit mindestens 80 Jahren angegeben.

Anwohner klammern sich in ihrer Kritik unterdessen an den Umstand, dass in den Regenwasserkanal hie und da offenbar auch „fäkalhaltiges Abwasser aus Klärgrubenüberläufen über einen sehr langen Zeitraum zugeführt“ wurde und zu „Betonkorrosion“ geführt habe, so steht es im Antwortschreiben des Oberbürgermeisters. Nach Auskunft von Peter Grasenack vom Entwässerungsbetrieb passierte dies bis zum Bau des Schmutzwasserkanals 2002. Kamerafahrten würden üblicherweise alle 20 Jahre einmal gemacht, der Mochauer Weg sei wegen zweier Verstopfungen im Regenwasserkanal verdächtig und daher untersucht worden.

Unmut gab es bei Anwohnern und auch im Ortschaftsrat wegen der Tatsache, dass dem 1. Bauabschnitt, um den es hier zunächst nur geht, ein zweiter folgen soll. Erst dieser mache das Bauvorhaben komplett - und beitragspflichtig. Grasenack zufolge ist dieser allerdings nicht irgendwann, wie zunächst per Vorlage kommuniziert, sondern bereits für 2017 geplant.

Der Ortschaftsrat war übrigens nicht in der sonst üblichen Form - nämlich im Rahmen einer Ort-schaftsratssitzung - mit dem geplanten Bauvorhaben befasst gewesen. Ortsbürgermeister Reinhard Rauschning (SPD) und der junge Ortschaftsrat Daniel Wartenberg waren allerdings bei der Informationsveranstaltung für die betroffenen Anwohner anwesend. Scharf kritisierte Wartenberg in der Bauausschuss-Sitzung vom Mittwoch diesen „formellen Fehler im Anhörungsverfahren“. Er warf den Verantwortlichen zudem eine mangelhafte Wartung des nun kaputten Kanals vor und sagte: „Eigentum verpflichtet.“

Ausschuss vertagt sich erneut

Ortsbürgermeister Rauschning verlangte nach Lage der Dinge, in der Beschlussvorlage das Wort Ersatzneubau durch Instandhaltung bzw. Reparatur zu ersetzen - mit der Folge, dass die Anwohner nicht mitzahlen müssten. Sein Antrag fand allerdings keine Mehrheit, da zuvor über einen weitergehenden Antrag abgestimmt wurde: Mit vier Ja bei drei Nein und zwei Enthaltungen votierte der Ausschuss auf Vorschlag von Dieter Schollbach (Linke) knapp für eine zweite Lesung, sprich die Weiterbehandlung im nächsten Bauausschuss.

Möglicherweise wird sich der Bau des Regenwasserkanals im Mochauer Weg von Reinsdorf-Dobien trotzdem nicht zu einer unendlichen Geschichte auswachsen. Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) hat bereits angekündigt, die Angelegenheit zu prüfen und, sollte von der Anlage tatsächlich eine Gefahr ausgehen und damit auch ein Haftungsrisiko bestehen, eine so genannte Oberbürgermeistereilentscheidung zu treffen. Dann wird gebaut, Diskussionen hin oder her, machte Zugehör eine eindeutige Ansage. (mz)