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Stadtkirchengemeinde  Stadtkirche Wittenberg: Lutheraner mit katholischem Herz beginnt Dienst als Pfarrer

Von Irina Steinmann 13.01.2017, 05:00
Alexander Garth ist neuer Pfarrer der Stadtkirchengemeinde.
Alexander Garth ist neuer Pfarrer der Stadtkirchengemeinde. Klitzsch

Wittenberg - Dass ein Pfarrer ’ne eigene Homepage hat, ist schon bemerkenswert genug. Noch bemerkenswerter ist, was dort zu lesen steht: „Ich sehe mich gern als Lutheraner mit katholischem Herzen“, stellt sich Alexander Garth vor im Kapitel „Über mich“. Damit jetzt aber keine Missverständnisse entstehen: Garth mag auch andere evangelische Kirchen als die seine, ja, „bis hin zu den Pfingstlern“.

Mit Beliebigkeit hat das freilich nichts zu tun, vielleicht sogar ganz im Gegenteil - denn warum sollte man sich nicht von den anderen inspirieren lassen, um seinem Ziel ein Stück näher zu kommen? „Ich träume von einer Kirche, die sich nicht zurückzieht hinter Kirchenmauern, sondern die hingeht und die Strukturen dieser Welt durchdringt“, so Garth, und „in der die Menschen das in anderen entzünden, was selbst in ihnen brennt“.

In dieser Formulierung lauert freilich schon die nächste Fußangel, denn, weiß Garth, das könnte man ja leicht als Missionieren auffassen - „und wer will schon missioniert werden?“ Eben. Und doch: In den nächsten Jahren, auch in den nächsten Jahren, will er genau dies tun: Menschen vom Glauben begeistern. Das darf man erwarten von einem Pfarrer, doch macht der Theologe keinen Hehl daraus, dass er dies mit anderen Mitteln zu tun gedenkt, als man es möglicherweise gewohnt ist in der Lutherstadt.

Alexander Garth ist, neben Johannes Block und Kristin Jahn, einer von drei Pfarrern der Stadtkirchengemeinde und zuständig für den Seelsorgebereich Friedrichstadt/Trajuhn sowie inhaltlich für Kitas, Schulen - und Friedhöfe. Geboren 1958 in einem Ort bei Dresden, wurde der junge Pfarrer 1988 wegen „Mitherausgabe einer illegalen Zeitschrift“ von der DDR ausgebürgert - um schon 1990 zurückzukehren in den Osten. Zuletzt lebte und arbeitete Garth in Berlin, wo er meist in der Jugendarbeit und unter anderem für die Stadtmission tätig war.

Am kommenden Sonntag wird der 58-Jährige seine Antrittspredigt halten in der Stadtkirche. Und was als „charmante Notlösung“ begann, wie er selbst sein bisheriges Engagement in Wittenberg nennt, soll durchaus Spuren hinterlassen im kirchlichen Leben der Stadt. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) habe ihn, berichtet er, just deswegen nach Wittenberg entsandt: um neue „Erprobungsräume“ zu schaffen für den Glauben.

Mehr Familiengottesdienste, mehr Arbeit mit jungen Leuten - und eben keinesfalls nur mit denen, die schon Christen sind, denn auf Sinnsuche, sagt Garth, sei doch jeder, gerade in diesem Alter - und ja, auch das: mehr Gospelmusik, „moderne“ Gospel, wohlgemerkt. Zu diesem Zweck und um das Gemeindeleben überhaupt einer Auffrischungskur zu unterziehen, will Garth auch Afrikaner in die Lutherstadt holen. Die derzeitige kirchliche Arbeit hier, sagt der Neue vorsichtig, man will ja nicht als Besserwisser dastehen, sei doch recht „traditionell, und das ist gut so“, aber „es braucht eben auch noch etwas anderes“.

Wie das andere funktionieren kann, hat Garth zuletzt in Berlin gezeigt, wo er junge Gemeinden aufbaute, sogar in den gottlosen Platten von Hellersdorf. - Als klar war, dass seine seit Mai 2016 geltende Wittenberger Vorläufigkeit in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis übergehen würde, haben er und seine Frau, eine Sozialpädagogin, beschlossen, auch ihren Wohnsitz aus der Haupt- in die Lutherstadt zu verlegen. Eine Wohnung fanden sie im Kirchlichen Forschungsheim, wo derzeit freilich noch einige Umzugskisten aufs Auspacken warten. Wie das so ist.

Als es um die Gestaltung des Antrittsgottesdienstes ging, habe ihn Kantor Ulrich Lamberti gefragt, was er denn spielen solle zum Auftakt. „Revolution“ von den Beatles, habe er da geantwortet, die langsame Version vom weißen Album, über die lasse sich gut improvisieren auf der Orgel. Ganz ernst gemeint habe er den Vorschlag zwar nicht, aber eigentlich ... Mal sehen ob er’s wirklich macht, der Lamberti. „Ich bin Rockmusiker“, sagt Alexander Garth. Ja, auch das noch. Daneben Buchautor, Bergsteiger und - Atheismusexperte. Auch letzteres passt sehr schön für einen Ort wie Wittenberg. (mz)