Stadtkirche Stadtkirche : Einstiger Pfarrer kehrt heim

Wittenberg - Auf die Frage: „Kennen Sie Bugenhagen?“ ernte man in Süddeutschland oft ein Kopfschütteln und bisweilen auch die Gegenfrage: „Wo liegt das denn?“, erzählt Martina Kerl. Die in München lebende Grafikerin und Fotografin hat für den dortigen „Kulturring Pommern“ eine Ausstellung kuratiert, die Licht ins Wissensdunkel bringt.
Sie erinnert an einen „Mann von Weltbedeutung“, der als Theologe und Sozialreformer die Reformation entscheidend mitgeprägt hat und doch oft im Schatten der übergroßen Persönlichkeit Martin Luthers steht.
Nach Stationen im polnischen Darlowo (früher Rügenwalde), Celle, Anklam, München und Ansbach ist die Wanderausstellung nun in die Wittenberger Stadtkirche St. Marien gewandert. Ein Heimspiel, wurde Johannes Bugenhagen doch 1523 hier zum ersten evangelischen Stadtkirchenpfarrer gewählt.
Die Zentralfigur
„Willkommen zuhause“, begrüßte denn auch sein aktueller Amtsnachfolger Johannes Block den auf Wandtafeln heimgekehrten Reformator. Selbst das kundige Publikum, das zur Ausstellungseröffnung am Mittwochabend in die Stadtkirche gekommen war, konnte noch die eine oder andere Entdeckung machen.
Bugenhagen, der in Pommern zu seiner Zeit eine Zentralfigur des Humanismus war, wird als hochgebildeter, grundgütiger, lebenskluger und mit Humor begabter Mensch präsentiert. „Ohne ihn wäre die Reformation in ihrer soziokulturellen Tragweite nicht durchführbar gewesen“, so das Urteil der sichtlich bewegten Martina Kerl bei ihrem Einführungsvortrag. „Es durchschaudert mich geradezu, dass ich jetzt hier rede, wo er so oft gesprochen hat.“
Der ungemein Fürsorgliche
Gesprochen und gewirkt hat der in Pommern geborene und aufgewachsene Johannes Bugenhagen jedoch nicht allein in Wittenberg. Von hier aus unternahm er zahlreiche Reisen - etwa nach Braunschweig, Hamburg und Lübeck aber auch nach Dänemark und Norwegen. Er entwarf dort Kirchenordnungen, die dem neuen Glauben inhaltlich wie organisatorisch einen Rahmen gaben.
Schaut man sich diese Texte mit ihren detaillierten Regelungen an, entdeckt man einen ungemein fürsorglichen Menschen. Für das Taufritual empfiehlt er, das Taufwasser in der kalten Jahreszeit vorher anzuwärmen „damit die zur Seligkeit gegebene Taufe den Kindern keinen leiblichen Schaden tue“.
Darüber hinaus hat sich der Familienvater Bugenhagen für gut ausgebildete Hebammen eingesetzt und die Gründung von Schulen angeregt – für Jungen wie für Mädchen gleichermaßen. Denn „wenn man Mittel für Kanonen und Schanzen hat, warum dann nicht zur Erziehung der Jugend?“ Und nicht zuletzt forderte er nachdrücklich dazu auf, sich für Bedürftige einzusetzen. „In einer jeden Kirche soll offen ein allgemeiner Kasten für die rechten Armen stehen“.
Beichtvater Luthers war Bugenhagen, Professor an der Wittenberger Universität und derjenige, der 1537 den dänischen König Christian und seine Frau Dorothea krönte. In Kopenhagen diente er dem König als Berater bei der Umsetzung einer Kirchenordnung für das skandinavische Land, auch hielt er Vorlesungen an der dortigen Universität.
Der noch Fehlende
„Er konnte mit Menschen aller Stände umgehen“, lobt Martina Kerl den vielseitig Begabten und Engagierten – und eigentlich wäre doch auf dem Markt noch Platz für ein drittes Denkmal – neben Luther und Melanchthon.
Erst dann wäre das „Dreigestirn der Reformation komplettiert. Auch bei den Souvenirs gebe es noch Nachholbedarf, unterstrich der frühere Bad Schmiedeberger Pfarrer Christoph Krause – und kreierte kurzerhand das Bugenhagen-Bier.
››Die Ausstellung zu Johannes Bugenhagen ist noch bis zum 17. November in der Wittenberger Stadtkirche zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Samstag, 10 bis 18 Uhr, Sonntag, 11.30 bis 18 Uhr. Ab November werden die Türen bereits um 16 Uhr geschlossen. Der Katalog zur Ausstellung kostet fünf Euro.
(mz)