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Sonntagsvorlesung in Wittenberg Sonntagsvorlesung in Wittenberg: Wittenberg im Siebenjährigen Krieg

Von Karina Blüthgen 29.04.2019, 13:37
Matthias Meinhardt bei der Vorlesung.
Matthias Meinhardt bei der Vorlesung. Sascha Graf

Wittenberg - „Die Häuser zitterten, da Bomben und Granaten / Mit Zischen, Knall und Schlag, ergrimmte Würkung thaten: / Dort fiel ein Dach herab, hier stürzt ein Giebel ein, / Kein Haus blieb fast verschont: die Noth war allgemein.“

Für Daniel Wilhelm Triller war die Beschießung Wittenbergs im Oktober 1760 keine Fiktion. Er erlebte das Grauen selbst mit. Sein Gedicht „Wittenberg im Feuer“ ist eines von mehreren überlieferten Werken, die die Schrecken der Bombardierung eindrucksvoll schilderten.

Gedichte und Predigten

In der vierten Sonntagsvorlesung des Predigerseminars dieses Jahres, die sich allesamt um Krieg und Frieden drehen, widmete sich Matthias Meinhardt der Zerstörung großer Teile Wittenbergs im Siebenjährigen Krieg und den Berichten darüber.

Texte, Gedichte und Predigten hat der Leiter der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek ausgewertet. Mehrere von ihnen hatte der Wittenberger Pfarrer Heinrich Leonhard Heubner für seinen Gebrauch zusammenbinden lassen, 1993 war zuletzt ein Reprint erschienen.

Was die Autoren einte, so Meinhardt, war, dass alle unter einem Dach lebten und miteinander mehr oder weniger befreundet waren. Christian Siegismund Georgi, Verfasser der Wittenbergischen Klage-Geschichte, war Professor an der Universität. Sein Haus in der Juristenstraße blieb bei dem Bombenhagel der Reichsarmee gegen die in Wittenberg stationierten Preußen so gut wie unversehrt, was er als Zeichen von Gnade für sein gottgefälliges Leben gesehen habe.

Besonders in der Predigt von Carl Gottlob Hofmann kurz nach der Beschießung falle auf, dass dieser nicht die politischen Gegensätze und den Krieg für die Zerstörung Wittenberg verantwortlich machte, sondern letzteres als Strafe Gottes für die Sünden der Wittenberger deutete.

„Auch die Rettung verdanken die Menschen Gott. Er hat nicht die ganze Stadt vernichtet, er hat die Explosion des Pulvermagazins im Schloss verhindert“, so Matthias Meinhardt. Die politische Neutralität des Predigers falle auf.

„Immerhin war die Stadt von den eigenen Leuten in Trümmern geschossen worden. Und als die Predigt gedruckt wurde, waren die Preußen schon wieder in der Stadt“, sah der Referent einen notwendigen Eigenschutz des Theologen bei den wechselnden politischen Herrschaften.

Soziale Nähe der Verfasser

Die Homogenität dieser Texte sei durch die soziale Nähe ihrer Verfasser entstanden, resümierte Meinhardt das Ergebnis der Fakten. Somit seien diese Quellen nur bedingt geeignet, die Ereignisse realistisch zu reflektieren.

„Eine weitere Suche nach Quellen wäre lobenswert. Wie war der Blick eines Handwerkers, eines Vorstädters, eines in der Stadt weilenden Soldaten auf die Situation“, so der Referent über weitere Forschungen, die systematisch das Feld erweitern müssten.

Zum Leben des Seelsorgers Heubner

Heinrich Leonhard Heubner, der die „Wittenbergische Klage-Geschichte“ mit vier Drucken hatte zusammenbinden lassen, kam 1799 nach Wittenberg und wurde 1808 Stadtpfarrer, 1811 Professor. Zu jener Zeit waren noch Reste der Zerstörung von 1760 zu sehen. Heubner erlebte 1813 die Belagerung der Stadt mit.

Während fast alle hochrangigen Universitätsvertreter die Stadt verlassen hatten, blieb er bei seiner Gemeinde. Die umfangreiche Privatbibliothek wurde nach Heubners Tod 1853 vom preußischen König angekauft und den Wittenberger Predigerseminar übergeben.  (mz)