Silvesterkonzert in Wittenberg Silvesterkonzert in Wittenberg: Unikate auf der Baustelle Schlosskirche

wittenberg/MZ - Fast schon intim mutete das Silvesterkonzert mit dem Arioso-Klavierquartett (Volodja Balzalorsky, Violine, Ferdinand Erblich, Viola, Andrej Petrac, Cello, Ana-Marija Markovina, Klavier) an. Weniger als ein Drittel Besucher fasst momentan der zur Verfügung stehende Kirchenraum der Schlosskirche Wittenberg, wie Thomas Herzer einleitend anmerkte. Logisch, dass dieses Konzert schon lange ausverkauft war.
Ideale Besetzung
Man war gespannt auf die akustischen Möglichkeiten angesichts der Baustellen-Atmosphäre in der Schlosskirche, die ja eigentlich für kammermusikalische Darbietungen eher ungeeignet zu sein scheint. Es zeigte sich aber, dass die musikalische Besetzung ideal ist in Bezug auf die derzeitige Akustik. Lediglich die Bestuhlung erlaubt nur eine begrenzte, auf etwa eine Stunde ausgerichtete Konzertaufführung. Da ist Stehen schon bequemer.
Auf dem Programm standen drei Quartette, jedes für sich höchst interessant. Gleich zu Anfang kam Wolfgang Amadeus Mozarts Es-Dur Quartett zu Gehör, das neben dem in g-Moll (KV 478) die beiden einzigen Klavierquartette Mozarts darstellt und für die damalige Zeit enorm anspruchsvoll und in seiner thematischen Anlage überaus verschwenderisch erscheint.
Das Quartett in Es-Dur imponiert mit seinen vielen lyrischen Zwischentönen, seiner Poesie und seiner Wärme, wobei das Klavier und das Streichertrio sich musikalisch konsequent gegenüber stehen. Dabei belädt Mozart das Quartett mit derart viel Gefühl und Ästhetik. Es wird verständlich, dass das damalige Publikum schlicht überfordert war. Die Vermarktung dieses Werkes und das in g-Moll waren übrigens seinerzeit nicht erfolgreich.
Die Pianistin Markovina wurde ihrer auferlegten solistischen Rolle voller Ausgelassenheit unbedingt gerecht. Dem gegenüber zeigte das Streichertrio durch das zu cantabile und nicht immer saubere Spiel der Geige gewisse Schwächen, die aber kompensiert wurden durch die allseits präsente Viola und vor allem des Cello. Das zauberhafte Larghetto, dessen fragile Lyrik unverkennbar ist, bot wiederum die erforderliche Einheit bei den Streichern. Das Allegretto hat durchaus Charme und Esprit als spritziges Kehraus. Dieses Spritzige wurde insbesondere getragen durch den Klavierpart.
Mit verhaltenem Pathos
Ein Überraschungswerk ist sicherlich Gustav Mahlers Jugendwerk, das nun folgte. Das Klavierquartett in a-Moll schrieb er 16-jährig. Erst in den 1960er Jahren wurde dieses spätromantische Werk in den USA (!) aufgefunden. Mahler kennt man doch nur als monumentalen und epochalen Sinfoniker. Er wird es vermutlich am Wiener Konservatorium geschrieben haben, an welchem er seit seinem 15. Lebensjahr studierte. Dieser einzig erhaltene Satz hat ein lyrisches und ein energisches Thema, in welchem man aber durchaus schon die für Mahler typische dynamische Durchführung und eingeschobenen klanglich verfremdeten Passagen erkennen kann. Das Quartett musizierte hier authentisch und mit ästhetischer Durchdringung mit verhaltenem Pathos.
Schumanns Es-Dur-Klavierquartett op. 47, das als drittes Werk an diesem Silvesterabend erklang, ist ebenfalls ein Unikat. Das Werk eröffnet recht nüchtern, fast sachlich und bekommt dann leidenschaftliche Ausbrüche. Im letzten Satz Finale Vivace erkennt man die Schu-mann-typische romantische Lebendigkeit, gepaart mit pastoraler Fröhlichkeit. In der Aufführung durch das Arioso-Klavierquartett erlebte man ein federnd-pulsierendes Vorwärtstreiben voller Intensität. Es war eine insgesamt schöne Interpretation mit klarem, durchsichtigem Klangbild. Das Silvester-Publikum war begeistert.