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Serie Schlosskirche Wittenberg Serie Schlosskirche Wittenberg: Schlosskirchenturm

Von Karina Blüthgen 21.07.2016, 10:41
Der Umgang ist ein beliebter Aussichtspunkt oben im Schlosskirchturm. Unter den neuen Fußbodenplatten ist nun eine Drainage-Schicht.
Der Umgang ist ein beliebter Aussichtspunkt oben im Schlosskirchturm. Unter den neuen Fußbodenplatten ist nun eine Drainage-Schicht. Baumbach

Wittenberg - „Ein feste Burg ist unser Gott“ heißt es im Mosaik des Schlosskirchenturmes, weithin sichtbar. Der Schriftzug selbst jedoch war alles andere als fest. „Wir sind davon ausgegangen, dass wir die Platten mit dem Mosaik abnehmen und vielleicht einzelne Steine austauschen müssen“, sagt Hagen Rühlmann. Das hatte er auch noch gedacht, als er im Sommer 2014 oben auf der Rüstung vor dem Schriftzug stand. „Doch nicht das Mosaik war das Problem, sondern die Mauer dahinter.“

Über viele Jahre war Wasser vom darüber liegenden Umgang und durch den Turmhelm gesickert und hatte das Mauerwerk nicht nur durchfeuchtet, sondern regelrecht gesättigt. Das bereitet vor allem im Winter Probleme, wenn das entstehende Eis jede Fuge weitet. Schalenweise sei die Mauer weggefroren, da habe man mit der Hand reingreifen können, fügt der Steinmetzmeister und Restaurator im Steinmetzhandwerk, der in der Bauhütte Naumburg tätig ist, hinzu. „Wir mussten etwa 40 Prozent der Läufer- und Binderschicht abnehmen, vor allem von der Nordwest- bis Südwestseite.“

Geplant war ein solch langwieriger Eingriff nicht, zumal die Rüstung am Turm auch so schnell wie möglich wieder abgebaut werden sollte. Schnell mussten Entscheidungen getroffen werden, Untersuchungen und Kernbohrungen sollten Daten zur Druckfestigkeit und Feuchte liefern.

Ziegel in benötigter Größe und Anzahl mussten bestellt werden. Vorteilhaft war, zweigleisig arbeiten zu können. Während die abgenommenen Mosaikplatten in die Werkstatt nach Schulpforte geschafft wurden und dort das Mosaik ergänzt wurde, waren die Spezialisten bis Oktober oben am Turm „komplett mit dem Ziegelmauerwerk durch“. Der Winter kam zum Glück spät, der Rest der Arbeiten konnte bis April 2015 erledigt werden.

Alte Fotos der Arbeiten aus den 1980er Jahren zeigten, dass es damals schon Schadstellen gab. „Jetzt hat sich gezeigt, es sind dieselben Stellen wieder“, so Rühlmann. Allerdings haben die Fachleute vor 35 Jahren vorgesorgt. Das Mörtelbett sei mit Aluminiumdraht bewehrt gewesen, und diesmal wurde Gewebe, eine Art Netz, ringsherum eingearbeitet. Damit die feste Burg auch lange fest bleibt.

So wurden der Umgang restauriert

Eben aus diesem Grund haben die Fachleute von der Bauhütte Naumburg auch am Umgang gearbeitet. Von dem alten Bodenbelag sei eigentlich nichts mehr vorhanden gewesen, Reste haben Hagen Rühlmann und seine Kollegen entfernt. Unter dem neuen Belag wurde eine Wasserrinne angelegt, die die anfallende Nässe über die Wasserspeier außen ableitet. Aus Postaer Sandstein wurden neue, mehrere Zentimeter dicke Bodenplatten passend geschnitten und auf Drainagemörtel verlegt.

Es sei ein gutes Arbeiten gewesen, hebt Rühlmann hervor. Die Rüstung am Turm sei mit einem Lastenaufzug versehen gewesen, mit dem auch Personen fahren konnten. Und drinnen in der Kirche gab es eine riesige Arbeitsplattform, auf der die Restauratoren auf Armlänge bis unters Gewölbe kamen. Dort standen Rollrüstungen, Wasser und Strom und im Winter sogar Heizung zur Verfügung. Gute Voraussetzungen für das, was die Experten der Bauhütte noch an Aufgaben zu erledigen hatten. Besonders knifflig war das Umsetzen des neuen Lüftungskonzeptes, das intensive Überlegungen erforderte.

Letztlich wurden in vier der insgesamt sechs Schlusssteine je vier Bohrungen gesetzt. „Das bot sich von der Geometrie her an, es gibt vier runde beschnittene Flächen, und eine Schattenwirkung ist auch da“, erklärt Hagen Rühlmann, warum davon kaum etwas zu sehen ist. Von unten wurde ein Kernbohrgerät eingesetzt, und auch von oben wurde gearbeitet. Natürlich sehr vorsichtig, da weder der Stein noch die Farbe darauf Schaden nehmen durften.

„Das war auch sehr sportlich“, erinnert sich der Restaurator an einen sehr warmen Juni 2013. Vier Liter Wasser am Tag flossen da die Kehlen herunter. Die Monteure dürften beim Verlegen der Rohre ähnlich geschwitzt haben, „viel Platz zu den Deckenbalken war oben nicht, manchmal nur 14 Zentimeter“, weiß Rühlmann.

Im Anschluss haben die Naumburger noch an den Gewölberippen gearbeitet. „Der Statiker hat offene Fugen festgestellt, die wieder kraftschlüssig sein sollten.“ Diese statische Sicherung zog sich etwa drei Monate hin, dabei wurde Bleiwolle in die Fugen gedrückt und mit einem passenden Eisen verdichtet.

Bleiwolle müsse man sich als eine Art Lametta vorstellen, zieht Rühlmann, 37 Jahre alt, einen anschaulichen Vergleich. Für ihn hat die Arbeit in Wittenberg eine besondere persönliche Bedeutung. „In Wittenberg hatte ich 2002 meine Freisprechung als Geselle. Es ist interessant zu sehen, was sich in der Stadt getan hat, wenn man nach so vielen Jahren zurückkommt.“ (mz)

Der Umgang des Schlosskirchenturms ist derzeit noch geschlossen. 

Eine Mauer schützt statt eines Geländers vor dem Absturzim Aufgang zum Schlosskirchenturm.
Eine Mauer schützt statt eines Geländers vor dem Absturzim Aufgang zum Schlosskirchenturm.
Baumbach
Über Stein- und Metallstufen ist der Turm des Wittenberger Schlosses erklimmbar.
Über Stein- und Metallstufen ist der Turm des Wittenberger Schlosses erklimmbar.
Baumbach