Serie Schlosskirche Wittenberg Serie Schlosskirche Wittenberg: "Gute Traubeneiche" in der Schlosskirche

Wittenberg - Es war eine kurios anmutende Szene, die sich bei einer der ersten Führungen in der Schlosskirche im Mai dieses Jahres zutrug. Eheleute standen im Chorraum, und sie drängte ihren Mann, doch in dem großen einzelnen Holzstuhl Platz zu nehmen. „Nun setz dich doch“, sagte sie, den Fotoapparat in der Hand. Er rückte jedoch nur ein Stück näher heran. An den restaurierten Kaiserstuhl.
Über annähernd vier Jahre hinweg wird die Schlosskirche im Inneren Baustelle gewesen sein, wenn am 2. Oktober 2016 die Wiedereinweihung des Gotteshauses gefeiert wird im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck. Eine schöne Gelegenheit, jetzt schon mal einen Vorgeschmack zu bieten auf das, was Besucher der Kirche in wenigen Monaten dann auch außerhalb von Führungen in der Kirche erwartet. Die MZ stellt in den kommenden Wochen in einer Serie vor, wie dank der Kunst der Restauratoren und der verschiedenen Gewerke diesem wichtigen Gotteshaus der protestantischen Christenheit und Unesco-Welterbe eine 7,8 Millionen Euro schwere Frischzellenkur verpasst worden ist. Lesen Sie in der nächsten Folge, wie eine Tür zwischen der Schlosskirche und dem Schloss Brandschutz und Kunst vereint.
Dabei ist die Gefahr, dem rechtmäßigen Platzinhaber zu begegnen, praktisch nicht vorhanden. Es ist der sogenannte Kaiserstuhl, verziert mit Wappen, Adler und Standarten. Und nur einmal, zur Einweihung der Schlosskirche 1892, hatte der deutsche Kaiser Wilhelm II. dort Platz genommen.
Bei der Neugestaltung der Schlosskirche 1885 bis 1892 wurde für die Holzeinbauten beste Eiche verwendet. „Gute Traubeneiche“, lobt Uwe Rähmer, leitender Restaurator bei der jetzigen Sanierung der Schlosskirche, die wunderbare Qualität und Verarbeitung des Holzes, das auch nach über 100 Jahren kaum Risse und Verwerfungen aufweist.
„Unser Ziel war es, Oberflächen sowie Gebrauchs- und Alterungsspuren zu erhalten“, so Rähmer. „Details, die für die Gesamtaussage wichtig sind, etwa heraldische oder ikonographische Elemente, wurden wieder hergestellt.“ Wenn es kleinere Beschädigungen gab, waren sie zumeist menschengemacht. Das hat auch Restauratorin Steffi Flade festgestellt. Hier eine abgebrochene Kralle, dort ein Stück Helmzier, nicht immer waren die Stellen für das Auge des Laien sofort zu erkennen.
Die Holzrestauratorin aus der Nähe von Meißen, die mit Unterbrechungen etwa eineinhalb Jahre in der Wittenberger Schlosskirche gearbeitet hat, widmete sich vor allem Kaiserstuhl, Fürstengestühl, Kanzel und dem Windfang an der Thesentür. „Der Zustand war gut. Damals hat man eine gute Holzauswahl getroffen, auch was die Konstruktion und die Ausführung betrifft“, hebt die 40-Jährige die Arbeit der Werkstatt des Wittenberger Holzbildhauers Lober hervor.
Bei den Ergänzungen der Wappen am Fürstengestühl kam es vor allem auf Genauigkeit an. Die Helmzier des Wappens von Hamburg, bestehend aus kleinen Fahnen und Pfauenfedern aus Holz, war fast gänzlich verschwunden. Nur je ein Stück hatten die Küster gefunden und aufbewahrt, der Rest war vermutlich in den Taschen von Besuchern gelandet. Die Reste erleichterten jedoch die Arbeit der Expertin.
„Beim Löwen im Wappen von Schwarzenburg fehlte der Oberkörper mit Kopf und Pranken“, erklärt die Expertin. „Hier half uns, dass das Wappen spiegelbildlich auf der gegenüberliegenden Seite noch mal auftaucht. Auch im Gipsraum gibt es ein Modell davon, wenn auch nicht genau in dieser Ausführung“, erzählt sie aus ihrer Arbeit.
Dass die Bruchstelle zwischen alt und neu am Löwen zu sehen ist, sei gewollt, betont sie. Es ist heutzutage üblich, dass spätere Ergänzungen sichtbar bleiben. Auch von den sogenannten „Krabben“, kleinen Verzierungen am Baldachin des Fürstengestühls und am Schalldeckel der Kanzel, fanden sich Fundstücke in einer Kiste.
Dass sie sich im Lauf der Zeit zuweilen lösen, liege daran, dass das Holz arbeitet und Längs- auf Querholz genagelt und etwas geleimt sei, so Steffi Flade. Hier sind vorhandene Teile wieder befestigt worden. Am Schalldeckel der Kanzel wurden vorn liegende Fehlstellen dank der Verzierungen aus nicht sichtbaren Bereichen geschlossen.
Nicht ganz so einfach gestaltete sich die Arbeit am Baldachin des Fürstengestühls. „Er ist in den Gesamtaufbau integriert, aber nur auf der Rückseite befestigt“, sagt die Restauratorin und beschreibt so, warum sich der vordere, schwebende Teil im Laufe der Jahrzehnte durch sein Eigengewicht gesenkt hatte. Bis zu fünf Zentimeter hing die Konstruktion durch, an den ineinander gesteckten Teilen waren dadurch Fugen entstanden. Da half nur, Stabilisierungsplatten im Gewölbe des Baldachins einzuschrauben, und zwar so, dass diese „Stütze“ für Besucher der Kirche nicht sichtbar ist.
Weniger zu tun war für Steffi Flade an der Kanzel selbst. Hier musste unter anderem die Schreibfeder des Apostels Lukas ersetzt werden, die verschwunden war. Am Kaiserstuhl fehlte im Wappen der Reichsapfel sowie ein Großteil des Adlers. Zudem hatte sich die aufgetragene Goldschicht in den Verzierungen durch eine spätere Bearbeitung zum Teil verfärbt. „Es sollte in den 20er oder 30er Jahren wohl eine Auffrischung werden. Man hat jedoch eine ölgebundene Schicht verwendet, das führte zu Verschwärzungen.“ Doch wie gesagt: Für den Besitzer des Stuhles haben sich solche Feinheiten längst erledigt. (mz)
