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Serie Schlosskirche  Serie Schlosskirche : Letzte umfassende Restaurierung kostete 900.000 Reichsmark

Von Karina Blüthgen 03.08.2016, 06:21
Der Festumzug zur Einweihung im Jahr 1892 der Schlosskirche Wittenberg zieht am Augusteum vorbei.
Der Festumzug zur Einweihung im Jahr 1892 der Schlosskirche Wittenberg zieht am Augusteum vorbei. Klitzsch

Wittenberg - Für Kurfürst Friedrich den Weisen war die Kirche neben seinem Schloss ein Prestige-Objekt. „Der zur Straße hin gelegene Nordflügel des Schlosses entstand zwischen 1496 und 1509 als neue Schlosskirche“, schreibt Bernhard Gruhl in seinem 2006 erschienenen Buch über die Wittenberger Schlosskirche. Hier hörte Friedrich täglich die Messe, hier sangen Chöre für ihn und wurde jährlich zu „Allerheiligen“ am 1. November seine Reliquiensammlung gezeigt.

Martin Luther und Philipp Melanchthon fanden, ebenso wie viele Professoren der Universität, im Innern ihre letzten Ruhestätten. 350 Jahre später war von einstiger kurfürstlicher Pracht nicht viel geblieben. 1760, als Wittenberg während des Siebenjährigen Krieges beschossen und zum Teil zerstört wurde, ging auch das Gotteshaus in Flammen auf.

Zurück blieben nur die Umfassungsmauern sowie jene Grabmäler, die in Bronze oder Stein gearbeitet waren. Cranach-Altar, Katheder, Emporen und die hölzerne Tür verbrannten. Es war ein herber Verlust für Wittenberg.

Zehn Jahre später, am 6. August 1770, wurde die Kirche wieder eingeweiht. Doch im Innern war das Gotteshaus mit der früheren Pracht nicht mehr zu vergleichen. 40 Jahre später brach neues Unheil über die Stadt und auch die Kirche herein. Die französische Besatzung, die die Festung Wittenberg erneut verstärkte, hatte im Innern der Kirche Erde aufschütten und zwei Rossmühlen aufstellen lassen, die Räume waren Mehlmagazin. 1813 geriet bei der Beschießung Wittenbergs der Turm erneut in Brand.

Dann kamen Preußen und blieben. Das Schloss wurde zur Kaserne umgebaut, selbst der Schlosskirchturm bekam als Kanonenbastion eine militärische Aufgabe. Die innere Ausstattung in der Zeit wird von etlichen Autoren als „ärmlich“ beschrieben.

König Friedrich Wilhelm IV. setzt sich für neue Thesentür in Wittenberg ein

1846, zur Feier der Wiederkehr des 300. Todestages von Martin Luther, kam der preußische König Friedrich Wilhelm IV. nach Wittenberg. Er versprach, an Stelle der verbrannten Thesentür eine neue, bronzene Tür zu stiften. Diese wurde 1858 enthüllt. Doch nun stand der Rest der Kirche in starkem Kontrast zu dem schmucken Detail.

Der Regierungsrat im Kultusministerium Barkhausen machte sich im März 1876 selbst ein Bild. „Das Gebäude macht sowohl von außen wie im Innern einen überaus nüchternen und kahlen Eindruck und entbehrt all und jeden architektonischen Schmuckes“, so sein Fazit. „Dasselbe ist auch nicht einmal in sauberem Zustande gehalten. An der Decke haben sich Stellen des Putzes gelöst und sind heruntergefallen, und das Gestühl bedarf dringend eines neuen Ölanstrichs.“

Da die Kirche von vielen Fremden aus Deutschland und dem Auslande besucht werde, mache „der jetzige unwürdige Zustand einen höchst peinlichen Eindruck“. Im November 1876 mahnte er erneut: „Der Zustand der Schlosskirche ist ein so überaus verlotterter, dass es dringend notwendig erscheint, dem Skandal ein Ende zu machen, so rasch es geht.“

Kaiser Wilhelm II kommt 1892 nach Wittenberg zur Einweihung der restaurierten Schlosskirche

Erste Pläne fanden jedoch nicht die Zustimmung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der sich persönlich engagierte. „Ich wünsche ein Pantheon deutscher Geisteshelden in Wittenberg zu stiften“, so der Kronprinz zu Friedrich Adler. Der Berliner Oberbaurat sollte neue Entwürfe erarbeiten. Vor den Arbeiten wurden 1884 Baugrunduntersuchungen vorgenommen, die zufriedenstellend verliefen.

Die Nordfassade mit dem Thesenportal blieb weitgehend in ihrem Zustand. Die Westseite, bislang schmucklos, erhielt ein hohes Spitzbogen- sowie ein Rundfenster, dazu als Schmuck einen Ziergiebel aus Sandstein.

An der Südseite wurde die Sakristei angebaut. Glasierte farbige Biberschwänze, gedeckt als Rautenmuster, schmückten das Kirchendach. Einen neuen Eindruck sollte das Gotteshaus durch den Turm gewinnen, der wieder zur Kirche gehören sollte. Für ihn wurden neue Glocken gegossen, ein Mosaikband kündete von „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Bernhard Gruhl gibt in seinem Buch eine Zusammenfassung, wie das Innere umgestaltet wurde. Alle barocken Einbauten des 18. Jahrhunderts wurden entfernt. Achteckpfeiler trugen die Empore und das neue massive Deckengewölbe. Eine Kommission legte fest, welche Persönlichkeiten der Kirchen- und Geistesgeschichte geehrt werden sollten. Dabei folgte man einer Choreographie.

Neun Standbilder von Luther und seinen engsten Mitstreitern gibt es an den Pfeilern, 22 Medaillons an der Emporenbrüstung zeigen Vorkämpfer und Förderer der Reformation. 52 Wappen in Kalkstein an der Empore benennen Könige, Herzöge, Grafen und Ritter, ohne die diese Umwälzung nicht machbar gewesen wäre. Ursprünglich 198 Wappen in den Fenstern erinnern an Städte, die eine bedeutende Rolle spielten.

Alte Ausstattungsstücke des 16. Jahrhunderts wie die Bronze-Epitaphe und die Marmorstatuen der knienden Ritter kamen ins Innere zurück. Die 1863 von Ladegast gefertigte, im Zuge der Umgestaltung umgebaute Orgel wurde vom Wittenberger Hofbildhauer Lober mit einem neuen Gehäuse versehen. Lober fertigte auch die Kanzel und das Fürstengestühl. Ein neugotischer Altar aus feinem weißen Savonia-Kalkstein bildete das Zentrum des Chorraumes.

Nach sieben Jahren wurde die Kirche im Beisein von Kaiser Wilhelm II. mit einem Festgottesdienst am 31. Oktober 1892 eingeweiht. 900.000 Reichsmark kostete der Umbau, der die Schlosskirche in den Zustand versetzte, den Besucher weitgehend auch heute sehen können.

Ein Umstand war nicht beseitigt worden: die schlechte Akustik. „Erst aus dem gedruckten Wort haben die meisten Festgäste ersehen, welch ein geistvolles und dem an Erinnerungen so reichen Raume entsprechendes Zeugnis hier abgelegt worden ist“, schreibt Professor D. Witte in „Die Erneuerung der Wittenberger Schloßkirche“ (1895). (mz)

Die Arbeiter tragen für die Aufnahme des Fotografen ihren besten Anzug.
Die Arbeiter tragen für die Aufnahme des Fotografen ihren besten Anzug.
Repro/Klitzsch/Städtische Sammlungen
Der Turm ist im Bau, das Dach der Kirche gedeckt.
Der Turm ist im Bau, das Dach der Kirche gedeckt.
Repro/Klitzsch/Städtische Sammlungen
Das Innere der Schlosskirche vor dem Umbau. Die Einrichtung (Altar, Emporen) ist sehr nüchtern und schmucklos gehalten.
Das Innere der Schlosskirche vor dem Umbau. Die Einrichtung (Altar, Emporen) ist sehr nüchtern und schmucklos gehalten.
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