Schulverweigerung Schulverweigerung : Das wird gegen Schul-Frust im Kreis Wittenberg unternommen

Wittenberg - Schulfrust entsteht früh – „wir denken, schon im Kindergarten“, sagt Angela Kotschka. Die Schulsozialarbeiterin arbeitet in der Re-Integrationsklasse der Gemeinschaftsschule Friedrichstadt. Anhand ihrer konkreten Erfahrungen ist sie überzeugt, dass es viele frühe Alarmzeichen gibt, die auf spätere Schulverweigerung hindeuten.
Überforderte Eltern, die ihrem Kind nicht die nötige Stabilität geben können, Verhaltensauffälligkeiten schon im Grundschulbereich. Dabei seien die ersten Jahre besonders wichtig, um das Lernen zu lernen. „Fehlt diese Basis, dann kommt spätestens in der Pubertät das große Loch“. Und das führt in nicht ganz wenigen Fällen dazu, dass Kinder dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben.
Auch im Landkreis Wittenberg gibt es in allen Schulformen Kinder und Jugendliche, die bereits deutlich erkennbare und zum Teil verfestigte schulverweigernde Verhaltensmuster zeigen.
Um dieser Entwicklung zu begegnen, wurde im Landkreis Wittenberg im Mai 2013 der Runde Tisch „Erziehen statt Strafe – oder wie konsequent muss Pädagogik sein“ gebildet. Unterschiedliche Fachkräfte aus Schule, Jugendhilfe, der öffentlichen Verwaltung (Jugendamt, Ordnungsamt, Gesundheitsamt), der Justiz, der Medizin und anderen Professionen (unter anderem Beratungsstellen) erarbeiteten gemeinsam einen abgestimmten Handlungsleitfaden sowie eine Broschüre zum Umgang mit Schulverweigerung im Landkreis Wittenberg.
Weiterhin unterstützte der Runde Tisch die Gründung der Beratungsstelle „Enter“, die sich um die betroffenen Schüler im Landkreis kümmert. (mz/sho)
Dies sei „ein Rechtsverstoß, der geahndet werden muss“, sagt Angelika Neubauer, die beim Fachdienst Ordnung und Straßenverkehr für die Schulverweigerer zuständig ist. Knapp 130 Jungen und Mädchen, aber auch deren Eltern seien im Landkreis 2015 betroffen gewesen. Was mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren beginnt, kann im schlimmsten Fall mit Arrest enden.
Damit es nicht erst so weit kommt, gibt es im Landkreis zahlreiche Angebote. Die Netzwerkstelle „Schulerfolg sichern“ des Landkreises Wittenberg und die Beratungsstelle „Enter“ des Internationalen Bundes hatten in dieser Woche zu einem Erfahrungsaustausch zum Thema Schulverweigerung und Schulpflichtverletzung eingeladen.
Im Soziokulturellen Zentrum Pferdestall in Wittenberg diskutierten Fachleute in der von Jugendbildungsreferent Reinhard Pester moderierten Veranstaltung Möglichkeiten der Prävention durch Schulsozialarbeiter, aber auch Chancen der Wiedereingliederung – etwa in der sogenannten Re-Integrationsklasse an der Friedrichstadtschule, in der Schüler aus dem ganzen Landkreis zusammenkommen, um wieder in den Schulalltag und seine Strukturen eingebunden zu werden.
Nicht zuletzt durch den 2013 gegründeten Runden Tisch „Erziehen statt strafen“ ist im Kreis ein Netzwerk entstanden, das Akteure bündelt, auf gleichberechtigte Zusammenarbeit setzt und unter anderem die Beratungsstelle „Enter“ mit auf den Weg gebracht hat. Seit 2015 wurden hier 41 Schüler beraten, 19 davon konnten laut Leiter Detlev Zinke „wieder nachhaltig in die Schule integriert oder so stabilisiert werden, dass keine weiteren Fehlzeiten auftraten und Anschlussmaßnahmen zur Ausbildung angeboten werden konnten“. Mit dieser Bilanz ist Zinke durchaus zufrieden.
Insgesamt sei, das unterstrich die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Corinna Reinecke, die Zahl der Schulverweigerer zwar noch nicht gesunken. Doch selbst das wertet Reinecke als Erfolg. Man habe eine Steigerung der Anzahl von Schulverweigerern vermieden. Auch Schulsozialarbeit könne Schulverweigerung nicht heilen, unterstrich Schulsozialarbeiterin Silke Petters, „aber wir können ein Türöffner sein, der in die Schule zurückführt“.
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Hilfen gelte es daher, weiter konzeptionell zu arbeiten, bekundeten die Akteure des Runden Tisches. In Planung sei etwa ein „Lern-Camp in den Ferien – auf freiwilliger Basis, um Lücken aufzuarbeiten, die durch das Schule schwänzen entstanden sind. Man wolle, so Jutta Schamberger von der Netzwerkstelle „Schulerfolg sichern“ Schülern vermitteln, dass Schule Spaß machen kann. Grundsätzlich gehe es immer darum, Kinder zu stärken und ihnen Werte zu vermitteln. (mz)