1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Schicksal einer Bürgerarbeiterin aus Bad Schmiedeberg: Schicksal einer Bürgerarbeiterin aus Bad Schmiedeberg: Loch im sozialen Netz

Schicksal einer Bürgerarbeiterin aus Bad Schmiedeberg Schicksal einer Bürgerarbeiterin aus Bad Schmiedeberg: Loch im sozialen Netz

Von Ute Otto 05.04.2015, 15:21
Dass sie große Sorgen hat, lässt sich Marion Sommer-Manns bei „ihren“ Bad Schmiedeberger Senioren nicht anmerken.
Dass sie große Sorgen hat, lässt sich Marion Sommer-Manns bei „ihren“ Bad Schmiedeberger Senioren nicht anmerken. Thomas Klitzsch Lizenz

Bad Schmiedeberg - Marion Sommer-Manns gehörte zu den Bad Schmiedeberger Bürgerarbeitern der ersten Stunde, die 2006 als Beispiel für ein neues Modell der Beschäftigungsförderung „den Medien vorgeführt wurden, wie die Zirkuspferdchen“, wie sie sagt.

Keinen Spielraum lässt das Gesetz bezüglich der Krankenversicherung zu, so Janina Thom, Pressesprecherin der Deutschen BKK. „Bekommt jemand Arbeitslosengeld I oder II, ist er automatisch über das Amt versichert... Fällt derjenige aber durch ein zu hohes Einkommen (und ist es auch nur ein einziger Euro darüber) aus den Bezügen heraus, dann muss er sich privat oder freiwillig gesetzlich versichern. Wir dürfen als Leistungserbringer ohne eine bestätigte Krankenversicherung keine Kosten übernehmen - also weder Medikamente noch Arztbesuche oder ähnliches.“ Das Jobcenter will den Sachverhalt prüfen.

Das klingt verbittert, und sie ist es auch: Nach dem Aus der Bürgerarbeit Ende 2014 steht sie nun völlig mittellos da. Seit 1. April ist sie nicht mehr krankenversichert.

Mehr als nur eine Beschäftigung

Als Bürgerarbeiterin hat sie mit weiteren Kollegen die Seniorenbetreuung in der Kurstadt aufgebaut. „Außer einem Raum hatten wir nichts. Ich habe Altpapier gesammelt, um Kaffee und Tischdeko für die Seniorennachmittage kaufen zu können“, erzählt sie. Sie haben es geschafft, zwischen 30 und 40 Rentner aus der Einsamkeit zu holen, neben Geselligkeit auch Vorträge und Fahrten für sie organisiert. Für Marion Sommer-Manns ist die Seniorenarbeit mehr als nur eine Beschäftigung. Die ehemalige Verkäuferin findet für sich eine neue berufliche Bestimmung und beschließt, sich auf diesem Sektor selbständig zu machen. Die Rentner betreut sie derweil ehrenamtlich, jeden Mittwochnachmittag trifft sie sich mit ihnen im Pflegezentrum am Kurpark.

Kein Anspruch auf Schulung

„Ein bisschen Mut der Verzweiflung“ stecke auch hinter ihren Plänen. „Mit 54 Jahren und gesundheitlichen Einschränkungen habe ich auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr“, sagt sie. „Aber ich will nicht zu Hause sitzen und dem Staat auf der Tasche liegen.“ Im Jobcenter werden ihre Pläne zunächst wohlwollend aufgenommen. Menschen zu aktivieren, ihnen eine neue berufliche Zukunft zu eröffnen, war schließlich das erklärte Ziel der Bürgerarbeit. Die Bad Schmiedebergerin wird in ein Coaching aufgenommen und bekommt eine Weiterbildungsmaßnahme für den Erwerb von kaufmännischem Grundwissen. Anfang Februar wird sie von einem Anruf aus dem Jobcenter jäh gebremst. Sie dürfe nicht mehr an der Schulung teilnehmen, weil sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe. Marion Sommer-Manns wohnt seit kurzem mit ihrem Partner zusammen, das Einkommen des Montagearbeiters wird mit herangezogen. Das seien laut Berechnung des Job-Centers etwa 70 Euro zuviel.

Sie erwägt Widerspruch, lässt sich aber im Jobcenter überzeugen, erst einen Überprüfungsantrag zu stellen, da dieser schneller bearbeitet werde. Den reicht sie am 13. März ein. Dass sie, seit der Coach nicht mehr zuständig ist, „im Amt“ immer auf andere Bearbeiter treffe, die jedes Mal eine neue Sicht hätten, neue Unterlagen nachfordern, „macht mich kirre. Man fühlt sich dermaßen als Bittsteller...“.

350 Euro bleiben zum Leben

Ihre Hoffnung, bis zum 31. März zu einem Bescheid zu kommen, erfüllt sich nicht. Ihre Krankenversicherung erlischt. Sie muss sich selbst versichern, das kostet 150 Euro im Monat. „Wir haben das Geld nicht“, gesteht sie. „Nach Abzug unserer Fixkosten bleiben uns 350 Euro zum Leben. Das ist weniger als Hartz-IV.“

Am Mittwoch, sie ist gerade bei ihren Senioren, bekommt sie erneut einen Anruf vom Job-Center, dass sie noch etwas nachreichen müsse. Sie reagiert entnervt. „Ich bin völlig am Ende, traurig und wütend.“ (mz)