Scherbensammler der Kirchengeschichte
Kemberg/MZ. - Am Mittwochabend war es erneut soweit. Böhme präsentierte im Gemeindesaal der Kemberger Kirchengemeinde ein frisch zusammengefügtes Gefäß aus vorreformatorischer Periode. "Eine extrem schriftarme Zeit", wie er dem zahlreich erschienenen Publikum versicherte. Doch trotz rarer Zeugnisse gelang es Günter Böhme, die einzelnen Fakten aus der Region zu einem aussagekräftigen Gesamtbild zu montieren und den historischen Krug so gleichsam mit Leben zu erfüllen.
Kemberg, als Propsteistandort seit Beginn des 14. Jahrhunderts von großer Bedeutung, verfügte damals nicht allein über einen sakralen Bau. Neben dem zentralen Gotteshaus, das im 15. Jahrhundert dort neu errichtet bzw. erweitert wurde, wo heute St. Marien steht, gab es zuvor bereits St. Wolfgang und die Spittelkirche. St. Wolfgang, vermutlich Anfang bis Mitte des 11. Jahrhunderts erbaut, befand sich außerhalb der Stadtmauern; das Gotteshaus bildete nach Recherchen Böhmes das Zentrum eines wendischen Dorfes. Wo die Spittelkirche einst gestanden habe, ließe sich indes nicht genau lokalisieren, bekannte der Geschichtsbesessene. Zwar lege der Name nahe, dass sie in unmittelbarer Nähe des Armen- sprich Spittelhauses ihren Sitz gehabt habe. Indes habe es im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Standorte des Armenhauses gegeben. Über die Kemberger Gotteshäuser hinaus gehörten zahlreiche weitere Kirchen zum Propsteibereich; Pratau, Bergwitz, Dabrun, Dorna, Gommlo, Rackith, Rotta, Radis, Seegrehna, Eutzsch und Wartenburg waren die Kemberger Propsteiorte.
Vertreter bedeutender Adelsgeschlechter bekleideten den Posten des Propstes. Unter anderem Nikolaus von Riesenburg, dessen Name verschiedene Urkunden und Dokumente in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ziert, allesamt versehen mit dem Propsttitel. "Wenn das Amt unbedeutend und von geringem Ansehen gewesen wäre, hätte er nicht immer mit diesem Zusatz unterzeichnet", lautete Böhmes Schlussfolgerung aus den Schriftfunden.
Dass Kemberg überhaupt Propsteistandort geworden sei, habe mit den Elbhochwassern zu tun. Der ursprüngliche Sitz in Pratau (errichtet 1201, zeitgleich mit Wörlitz) habe vermutlich wegen zahlreicher Überschwemmungen an einen sichereren Ort verlegt werden müssen. Und der konnte nur auf jener Elbseite liegen, die zum Bistum Magdeburg gehörte, Wittenberg zählte schon zum Bistum Brandenburg. Diese und noch eine Vielzahl weiterer Informationen schüttete Böhme an sein Publikum aus, aber er bekam auch eingeschenkt. Pfarrerin Bettina Lampadius-Gaube bedankte sich mit einer Flasche Wein für den Vortrag, "auf dass Sie damit den Krug füllen können, den Sie zusammengesetzt haben".