Renaissance-Musikfestival Renaissance-Musikfestival : Ein Tag im Leben Luthers

Wittenberg - Der zweite Tag des 12. Renaissancemusikfestivals bot mit einem Musiktheater in der Stadtkirche einen besonderen Abend. Kinder und Jugendliche des Kinderchors der Oper Leipzig und der seit Jahren schon beim Festival auftretenden Jugendmusiziergruppe Michael Praetorius Leipzig führten musikalisch und tänzerisch einen Tag aus Luthers Leben vor.
Im Fokus stand nicht irgendein Tag im Leben Luthers, sondern jener im Mai 1529, an dem Tochter Magdalena getauft wurde und Luther erfuhr, dass das Wormser Edikt wieder in Geltung und er damit vogelfrei, aller Rechte beraubt sei. Man konnte gespannt sein, was es mit dem Titel „Das Biest kann schwimmen“ auf sich habe.
Alter und junger Luther
Das mit Luther-Zitaten durchsetzte Buch von Tobias Rohe lässt den Reformator, seine Frau Käthe und Sohn Hans mit Freunden – die einigen Quatsch machen –, Philipp Melanchthon und weitere auftreten.
Zum Luther des Jahres 1529 tritt der alte Luther aus der Mitte der 1540er Jahre; das präsente Spiel und der feine Gesang von Amelie Althammer können sich neben dem gewichtigen Alten, dramatisch gespielt vom Tenor Martin Petzold, sehen und besonders auch im Duett hören lassen.
Die Gefährdung durch das Edikt, aber auch seine Gewissenskonflikte wegen seiner harten Worte im Bauernkrieg und deren verheerender Wirkung, auch das Leid im eigenen Leben, geben Luther Gelegenheit, reformatorische Glaubenslehre, das evangelische Verständnis des Menschen zwischen Freiheit und Ordnung elementar auszuführen.
Das 12. Renaissance-Musikfestival unterm Motto „Vater der Lieder - Martin Luther und die Musik“ präsentiert bis zum 5. November noch neun Konzerte. Im Alten Rathaus gibt es auch eine Instrumentenausstellung. Weitere Konzerte, bei denen die Nachwuchsmusiker im Fokus stehen, sind das Musiktheater: I Confidenti Potsdam „Dolcissima Speranza“ am 27. Oktober, 19 Uhr, im Stadthaus und das Konzert: The Muses’ Fellows „Jetzt noch leuchtet die Sonne mit goldenem Schein“ am 28. Oktober, 15 Uhr, in der Schlosskirche.
Das ganze Programm sowie Ticketauskünfte: www.wittenberger-renaissancemusik.de
Glaube, Liebe und Hoffnung geben Kraft für das Leben: „Auch wenn der Tod uns immer nahe ist - wir wollen das Leben feiern“, sagt Katharina – eine barocke Reformulierung von Luthers „Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen“.
Trost in der Musik
Den „alten Adam“ solle der Christ „täglich ersäufen“, lehrt Luther seine darüber zunächst entsetzten Kinder; heute würde man sagen, dass die Anteile unserer Persönlichkeit, die von Gott nichts wissen wollen, überwunden werden können, aber immer wieder auftauchen – denn: „Das Biest kann schwimmen.“
Die Liebe von Mann und Frau jedenfalls gehört zu einem gottgefälligen Leben, bescheidet Luther einem ratsuchenden, heiratswilligen Mönch aus Leipzig. In trüben Zeiten kann sich der Mensch mit der Gottesgabe Musik trösten.
Über Luther muss man also musikalisch erzählen. Die zwei Dutzend Musiker der Jugendmusiziergruppe tun das, teils mit historischen Instrumenten, mit hörbarem Verständnis für Alte Musik: atmend, schreitend, tänzelnd bieten sie unter Leitung von Sophie Bauer Tanzsätze und Lieder des 16. Jahrhunderts dar, in großem Bogen etwa die bekannte Bergamasca.
Die hellen Stimmen des Kinderchores singen dazu anmutig und bei allen Bühnenturbulenzen tadellos etwa Hans Leo Hasslers „Tanzen und Springen“ oder Giovanni Gastoldis „An hellen Tagen“ und die geistliche Fassung „In dir ist Freude“. Berührend waren besonders auch die ernsten Töne von „Verleih uns Frieden“, zu Herzen ging „Nun ruhen alle Wälder“ als Katharinas Schlaflied für die neugeborene Tochter Magdalena – und zugleich als Trostlied für die Eltern, die dreizehn Jahre später das Kind verlieren sollten, das übrigens von Cranach gemalt von der Predella des Reformationsaltars dem Spiel zu- und ins Publikum schaute. An dieser Stelle waren nur die durchgehenden Mikrofonprobleme besonders ärgerlich.
Dazu der Tanz der Ballettkinder – leichtfüßig, mit kindlicher Grazie, aber auch mit tiefem Ernst, wenn Dämonen den verzweifelt-zweifelnden Reformator umherschubsen. Eine humorvolle Note fügte dem Ganzen die Ausstattung bei, die historisches etwa mit einer aufblasbaren Palmeninsel als Symbol für Lebensglück kombinierte.
Hatte das Stück als turbulenter Jahrmarkt begonnen, endete es nach einer guten Stunde als Tauffest im Hause Luther. Ein Glück, dass es nach der Uraufführung in Leipzig nun auch in Wittenberg zu sehen war, in einer Stadt, die „itzund einen großen Namen hat“. (mz)