Renaissance-Musikfestival Renaissance-Musikfestival: Auf den Rätselwegen des Lebens

Wittenberg - Zum Abschluss des elften Renaissancemusikfestivals kündigte Marco Beasley an, sein Publikum ins Labyrinth am Hof der Isabella d’Este zu führen. Bei dieser kunstsinnigen Fürstin, einer der bedeutendsten Frauengestalten der italienischen Renaissance, und bei diesem Sänger, der als einer der charismatischsten und poetischsten Sänger der Alte-Musik-Szene gelten kann, war es nicht verwunderlich, dass man sich alsbald im Labyrinth der Liebe und auf den Rätselwegen des Lebens überhaupt wiederfand. Diese verbinden die emotionalen Extremwerte der erwachenden Liebe und des Verlusts.
Beasley begann sein Konzert mit Beispielen für diese beiden außergewöhnlichen Erfahrungen: Ein werbendes Liebeslied bot er zart zu Lautensilber dar, sang sodann in ganz anderer Stimmfarbe, dunkler timbriert, die Klage über ein Liebesende: „Vale diva, vale in pace!“ Seine Stimmkunst dient ganz der Darstellung von Emotionen: Mit seiner unglaublich jungen und schlanken Stimme gestaltet er einfache und wiederholte Motive und Verzierungen eindrücklich, weil die Musik elementar sein darf und doch artifiziell ausgestaltet wird – und so ist es in der Liebe ja auch irgendwie. So können die Liedchen ihren rhythmischen Zauber entfalten – und zum Tanzen animieren.
Beasley hatte denn auch die belgische Tänzerin Lieselotte Volckaert engagiert, die zu einigen Stücken anmutig tanzte – „liebreizend“ müsste man es nennen, wenn es das Wort noch gäbe. Konnte Beasley dem schweren Thema Liebe auch Humor abgewinnen – das Augenzwinkern war etwa bei „Staralla ben cussì“ geradezu zu hören -, so setzte er dieses Mal einen Akzent auf den tragischen Ernst der Liebe: Ohne instrumentale Begleitung sang Beasley Benedetto Gareths berührendes „Amando e desiando“, flehte die Tänzerin an, wurde von ihr getröstet, ohne indes erhört zu werden: Sie legte nur eben ihre Hand auf seine ans Herz gelegten Hände. In diesem Augenblick mochte man weinen: Ach, das Glück der Liebe ganz in ihrem Schmerz! Auch Religiöses bot Beasley eindrücklich: Ein „Ave Maria“ – und das am Reformationstag in Wittenberg! – des von Isabella geförderten Hofmusikers Bartolomeo Tromboncino betete er so innig, dass das Publikum kaum klatschen mochte. Beasleys Kunst liegt darin, die Zuhörer mit seinem zarten Gesang so zu berühren, dass sie über die in ihnen verborgenen, nun empfundenen Zartheits- und Mitgefühlsmöglichkeiten staunen.
Nur gut, dass Beasley dazwischen auch leichtere Musik bot, wie das „Ostinato vo’ seguire“, das wohl herzigste Stückchen des Konzerts mit seiner kleinen rhythmischen Neckerei. Als Zugaben sollte er noch eine volkstümliche Tarantella geben. Hier begleitend wie auch in instrumentalen Tänzen erwiesen sich Beasleys Ensemblemitglieder wieder als Virtuosen: Neben den beiden Lautenisten der Flötist Marco Ferrari und Vito de Lorenzi, der sein Tamburin summen und brummen zu lassen verstand und mit den „Suoni di terra“ ein eigenes Werk aufführte.
Dass das Publikum das Stadthaus nur zur Hälfte füllte, war zu verschmerzen, war doch die Hälfte der Konzerte des diesjährigen Renaissancemusikfestivals ausverkauft. Als besonders erfreulich hob der Künstlerische Leiter Thomas Höhne hervor, dass über 300 Kinder und Jugendliche dabei waren.
(mz)