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Reformationsjubiläum in Wittenberg Reformationsjubiläum in Wittenberg: Finnen feiern 2017 doppelt

05.02.2016, 19:11
Die finnischen Gäste bei der Vorführung des Wittenberg-Films
Die finnischen Gäste bei der Vorführung des Wittenberg-Films Thomas Klitzsch Lizenz

Wittenberg - Allerdings gibt es Unterschiede. „Bei uns ist sogar ein Atheist noch ein lutherischer Atheist“, behauptet Katariina Ylikännö keck und hat damit die Wittenberger Lacher auf ihrer Seite. Satte 75 Prozent der Finnen sind jedenfalls Lutheraner und dass es auch dort schon einmal mehr waren, tut der Sache keinen Abbruch: Auch Turku, vor allem Turku, bereitet sich mit aller Kraft auf das Reformationsjubiläum 2017 vor. Die südfinnische Kommune, Heimat des Reformators Michael Agricola, versteht sich als die „Kirchenhauptstadt“ des Landes. „Und diese Rolle wollen wir verstärken“, sagt Ylikönnä in fließendem Deutsch, als damalige Mitarbeiterin der EKD-Geschäftsstelle hat sie längere Zeit in Wittenberg gelebt.

Michael Agricola (1510 bis 1557) ist für Finnland das, was Luther für Deutschland ist: Neben der Theologie machte er sich durch seine Bibelübersetzung um die Nationalsprache verdient. Agricola studierte ab 1536 in Wittenberg, verheiratet war er ab 1550 mit Birgitta Olavintytär. Die Stadt Turku ist der nördlichste Punkt des „Europäischen Stationenwegs“, der die Reformationskommunen im Jubiläumsjahr verbindet. Koordiniert wird das Projekt vom Wittenberger Verein „Reformationsjubiläum 2017“.

Inzwischen ist sie Projektkoordinatorin des Reformationsjubiläums 2017 in Turku und nun an der Spitze einer neunköpfigen Delegation aus kommunalen und Kirchenvertretern zurückgekehrt in die Lutherstadt. Der Zweck des Besuchs: die Möglichkeiten der weiteren Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit zu sondieren. Die Finnen haben bereits Gespräche geführt mit der örtlichen Touristen-Information, der Stiftung Luthergedenkstätten und dem Vernehmen nach auch mit Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD), als sie am Donnerstagnachmittag im Alten Rathaus mit Vertretern der Stadtverwaltung zusammenkommen. Imagebroschüren werden ausgetauscht und die Wittenberger zeigen auch ihren Werbefilm, der die Stadt als ausgesprochen lebenswert erscheinen lässt, auch abseits von Luther.

„We live history“, wir leben Geschichte, erläutert Wittenbergs Marketingchef Johannes Winkelmann das Selbstverständnis der Stadt, nicht ohne auf den „auch Wirtschaftsstandort“ hinzuweisen - und nicht ohne die Herausforderungen des Innenmarketings zu verschweigen; ganz so lutherisch ist Wittenberg ja bekanntlich nicht. „Wir können auch Großveranstaltungen“, beteuert Winkelmann, meint natürlich Luthers Hochzeit aber auch, kleiner Wechsel auf die Zukunft, die Großveranstaltungen im Jubiläumsjahr.

Das kurze Arbeitstreffen im Alten Rathaus ist, wie der gesamte Besuch der Finnen, eine Fortsetzung der vor wenigen Jahren begründeten Netzwerk-Kooperation Wittenbergs mit den nordeuropäischen Reformationsstätten, zu denen insbesondere auch die dänische Partnerstadt Haderslev zählt. Im November 2014 etwa gab es dazu eine Konferenz mit allen Beteiligten in Wittenberg, weitere Treffen sollen laut Marvin Just, Jubiläumsbeauftragter der Stadtverwaltung, folgen. Turkus Protokollchef und Beauftragter für „internationale Beziehungen“, wie auf Mika Akkanens Visitenkarte (wohl) sinngemäß steht („Kansainvälisten asioiden“), kündigte eine Vertiefung der Kontakte zu Wittenberg über das finnische Kulturinstitut in Berlin an. Auf kurzem Dienstweg schon mal festgemacht wurde am Donnerstag auf Einladung von Winkelmanns die Teilnahme von „Agricola“ am großen Festumzug zu Luthers Hochzeit im Juni. Die Finnen reagierten begeistert - nur über die Frau des Reformators, räumten sie ein, müssten sie sich noch Gedanken machen, offenbar war sie, was ihre Öffentlichkeitswirksamkeit über die Jahrhunderte hinweg angeht, keine Katharina.

Ganz pragmatisch haben sie in Turku die Termine ihrer Feierlichkeiten mit denen in Wittenberg abgestimmt und eröffnen ihr Jubiläumsjahr 2016 bereits einen Tag vor dem Reformationstag - weil sie auch in Wittenberg dabeisein wollen, wie Katariina Ylikännö ankündigte. Dass sie im Gegenzug auch auf Gäste aus Deutschland (und der übrigen lutherischen Welt) hoffen, versteht sich.

In Finnland verbindet sich das Reformationsjubiläum 2017 unterdessen mit einem zweiten: Der Staat wird 100. Auch deshalb, damit alle mittun können, habe man sich entschlossen, die Feierlichkeiten ökumenisch anzulegen. Und auf das Wort „Glaubensreinigung“ zu verzichten, mit der die Vorgänge im 16. Jahrhundert laut Ylikännö üblicherweise bezeichnet werden. Die Reformation heißt also auch in Turku Reformation und ist für alle da. „Wir müssen unsere Wurzeln kennen, um andere Kulturen schätzen zu können“, sagt Katariina Ylikännö - ein Blick zurück nach vorn. (mz)