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Postkutsche in Wittenberg Postkutsche in Wittenberg: Mit zwei PS durch die Lutherstadt

Von Karina Blüthgen 23.06.2018, 07:46
Siegfried Händler kutschiert Leute durchs Land. Gastwirt Claus Roloff (neben der Kutsche) empfängt die Gruppe in Wittenberg.
Siegfried Händler kutschiert Leute durchs Land. Gastwirt Claus Roloff (neben der Kutsche) empfängt die Gruppe in Wittenberg. Klitzsch

Wittenberg - Entschleunigt reisen, ja das treffe es gut, findet Sybille Gäbler. Gemeinsam mit Ehemann Peter ist sie derzeit im Kurzurlaub - unterwegs in einer Postkutsche. „Das ist bequemer, als ich es vermutet hatte“, so sein Kommentar. Das erste Mal hat sich das Paar aus Leipzig auf solch eine mehrtägige Reise begeben, es sei eine Idee von Freunden gewesen, erzählen sie.

Einfach mal durch den Wald

Drei Tage dauert die Tour von Bad Düben über Gräfenhainichen, Oranienbaum, Wörlitz und Wittenberg, von hier aus geht es zurück nach Bad Düben. „Die schönste Strecke war am Mittwoch durch den Wald“, schwärmt Peter Gäbler. Auch sonst habe ihr Urlaub mit Natur zu tun, führe in die Berge oder an die Ostsee. Aber so eine Tour ist definitiv „was zum Weiterempfehlen“.

Am Donnerstag ist Zwischenstopp mit Übernachtung in Wittenberg angesagt. Einzig das Wetter bietet einen nicht allzu freundlichen Empfang, es regnet. Claus Roloff kredenzt erst einmal einen Kaffee für die Reisenden, die nach kurzer Pause eine Stadtführung unternehmen. Für den Wirt von Gasthaus und Pension „Zur Elbe“ ist es nicht der erste Halt einer Postkutsche.

„In diesem Jahr ist es das zweite Mal, und auch im vorigen Jahr war sie schon hier.“ Schnell sind die Schlüssel verteilt, geht es kurz auf die Zimmer. Für Siegfried Händler heißt es jetzt: einmal „einparken“. Er stellt seine Pferde Max und Rendi und die Kutsche für die Nacht auf einem Gehöft unter.

Seit 14 Jahren sitzt der Mann aus Bad Düben auf dem Kutschbock des „Berline Coupé“, die Postkutsche hat er für sein Unternehmen nach originalen Plänen nachbauen lassen. „Die Idee, wie man über mehrere Tage mit einer Kutsche reist, ist 2004 in einer Kneipe entstanden“, erzählt Händler. Zehn Pferde hat er, bei Bedarf wie etwa großer Hitze wird gewechselt.

Bis zu 45 Kilometer am Tag fährt er seine Gäste, zumeist jenseits der Hauptstraßen, mit Pausen für Mittagessen, Kaffee oder auch mal ein Eis. Im Winter ist er mit Heißgetränken unterwegs. „Ich bin einer der wenigen, die ganzjährig fahren.“

2006 ist Händler auf den Spuren des „Eisernen Gustav“ bis Paris gefahren. Sonst sind die Touren nicht ganz so weit, aber auf 6.000 Kilometer pro Jahr bringt er es mit seinem Wagen dennoch. Das ist bequemer, als es der Laie auf den ersten Blick vermuten mag. „Es ist der erste Postkutschentyp mit Federung“, erklärt der Mann am Zügel, und seine Gäste, diesmal sind es sieben, stimmen ihm zu. „Das ist bequemer, als ich es vermutet hatte“, meint Peter Gäbler.

Dem können sich Bernd und Karin Gränz aus Großpösna nur anschließen. Ihre Befürchtung, es könnte holprig werden, hat sich nicht erfüllt. „Das Reisen mit einer Postkutsche hatte ich mir schwieriger vorgestellt“, so Gränz. Das Paar war im Internet auf das Angebot gestoßen und gleich begeistert. „Man sieht Sachen, die man sonst nicht sieht, ist mit netten Leuten unterwegs, mit denen man plaudern kann, einem netten Kutscher und zwei tüchtigen ausdauernden Pferden.“ Wittenberg kenne er bisher nur vom Durchfahren.

Letzter Holzrücker

Für Siegfried Händler, Jahrgang 1962, ist das die Bestätigung, alles richtig gemacht zu haben. Der gelernte Baumaschinenschlosser hatte zu DDR-Zeit seinen Forstwirt auf der Abendschule gemacht. „Ich war der letzte Holzrücker im Naturpark Dübener Heide“, erzählt er. Immer habe er mit Pferden zu tun gehabt, „ich habe mir meine Arbeit selbst ausgesucht“, ist er zufrieden.

„Und jetzt freuen wir uns auf Wittenberg“, sagt Peter Gäbler. Nach einem kurzen Einchecken geht es für die sieben Fahrgäste zum Stadtrundgang. Und am nächsten Tag wieder weiter. (mz)