1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Parlamentär ohne weiße Fahne

Parlamentär ohne weiße Fahne

Von Ute Otto 09.11.2007, 18:39

Wittenberg/MZ. - Auf die Frage der MZ, warum er sich überhaupt habe wählen lassen, antwortet Dr. Herrmann: "Es kann ja sein, dass ich dafür einen Wählerauftrag habe." Seinen Entschluss, sich zur Wahl zu stellen, habe er vor einem Jahr während der Oranienbaumer Bürgerversammlung im Vorfeld der Anhörungen im Wörlitzer Winkel getroffen. Da hatte Hermann prophezeit, dass beim Wechsel in den Landkreis Wittenberg der Rettungswagen nicht mehr rechtzeitig vor Ort sein könne. Worauf ihm der damalige Landrat Hartmut Dammer (parteilos) Panikmache vorwarf. Er müsse doch wissen, dass die Zeiten, in denen die Rettungswagen vor Ort sein müssen, gesetzlich vorgeschrieben sind.

Die stationäre Krankenhausversorgung zieht Herrmann auch gegenüber der MZ als erstes Argument für den Anschluss des Wörlitzer Winkels an Dessau heran. Die werde sich nämlich, erklärt der Facharzt für Innere Medizin, ab 2009 für die Bürger des Winkels "erheblich" verschlechtern. "Wenn das Fallpauschalengesetz in Kraft tritt, wird es so sein, dass teure und für das Krankenhaus nicht rentable Patienten abgeschoben werden in die Versorgungskrankenhäuser der jeweiligen Landkreise."

Das wäre hier das Paul-Gerhardt-Stift. Und auf das ist Dr. Herrmann nicht gut zu sprechen. War er doch bis zu dessen Schließung Chefarzt des zur Stiftung gehörenden Oranienbaumer Krankenhauses. Missmanagement wirft er dem Stiftungsvorstand vor. Und so forderte er jüngst im Sozialausschuss eine kreisliche Aufsicht für das Krankenhaus. Was den sonst eher zurückhaltend auftretenden CDU-Abgeordneten Dr. Klaus Knüpfer, ein ehemaliger Kollege Herrmanns, fast explodieren ließ.

Dr. Herrmann habe seine zur Bearbeitung durch den Ausschuss vorgeschlagenen Themen "sehr subjektiv kommentiert", bestätigt der Vorsitzende Harry Rußbült (Linke). "Wir müssen in Zukunft dazu kommen, dass wir auch Überspitzungen sachlich diskutieren, ohne in polemische Diskussion gegen irgendjemanden oder irgend eine Einrichtung zu verfallen. Dafür werde ich sorgen", so Rußbült.

Der Vorwurf, dass es ihm darum gehe, einen persönlichen Strauß mit dem Stift auszufechten, ficht Dr. Herrmann nicht an. Die Entrüstung kann er nicht nachvollziehen. "Mag sein, dass das einigen Leuten nicht passt, aber ich lasse mich nicht gegen den Strich bürsten."

Dass der Oranienbaumer nie einen Hehl daraus gemacht hat, wofür er bei der Kreistagswahl angetreten ist, bestätigt der Chef der FWW, Stefan Kretschmar. Im Wahlprogramm hatte sich die Vereinigung dazu bekannt, den freien Willen der Bürger bezüglich der Kreiszugehörigkeit zu respektieren. Weil bei so einer Kreisfusion viel davon abhänge, wie man die Neuen aufnimmt, "arbeiten wir im Kreistag aber schon an der Integration der Gemeinden mit". Die freie Willensentscheidung auch nach innen zu respektieren, "unterscheidet die Freien Wähler von anderen Parteien", sagt Kretschmar. Ein gangbarer Weg wäre seiner Meinung nach, deutlich zu machen, wo man im Auftrag der Fraktion spricht und was persönliche Meinung ist.

Das sieht der Fraktionschef der Freien Wähler im Kreistag, Henning Kirmse, etwas anders. "Wenn auch Dr. Herrmann für die Fraktion im Ausschuss sitzt, kann er doch als Person Dr. Herrmann sprechen". Die mehrheitliche Fraktionsmeinung, sagt der Prettiner, werde letztlich im Kreistag durch den Vorsitzenden formuliert. Bei der Abstimmung bleibe jeder seinem Gewissen verpflichtet. Einen Hang zur Polemik könne man dem Oranienbaumer zwar nicht absprechen, so Kirmse, "ich sehe da aber gar kein Problem." Fachlich sei Dr. Herrmann für den Sozialausschuss prädestiniert. "Er kennt sich im Gesundheitswesen besser aus als jeder andere von uns. Er sagt eben, wo er Gefahren sieht." Und das keineswegs nur den Wörlitzer Winkel betreffend. So setze sich der Oranienbaumer Internist beispielsweise auch für eine schnellere Erstversorgung von Infarktpatienten im Jessener Raum ein. "Er ist unbequem, und das ist gut so", sagt der FWW-Fraktionschef abschließend.