Ordnungsamt Gräfenhainichen Ordnungsamt Gräfenhainichen: 24-Stunden-Dienst im Amt?
Gräfenhainichen/MZ - Petra Kuhnert (CDU) lässt daran nicht den geringsten Zweifel: Die Polizei muss entlastet werden. „Die Beamten sollen Straftaten aufklären und müssen bei schweren Verkehrsunfällen zum Einsatz kommen“, sagt die Fraktionschefin im Gräfenhainichener Stadtrat. Das Revierkommissariat übernehme aber besonders in den Abend- und Nachtstunden Aufgaben des städtischen Ordnungsamtes. Party-Krach in der Nachbarschaft? Eine Kneipe, die sich nicht an die Öffnungszeiten hält? Müll im Wald? Die Polizei wird es schon richten.
Die Einsatzkräfte stoßen dabei schon jetzt an ihre Grenzen, und die von Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) angekündigte Strukturreform wird für noch weniger Personal sorgen. Allein 790 Einsätze fuhr die Polizei 2013 nach Angaben von Reviersprecherin Cornelia Dieke im Kreis allein wegen nächtlicher Ruhestörungen - 145 Mal wurde dabei das Revierkommissariat Gräfenhainichen geordert. Dabei sind die Polizisten dafür überhaupt nicht zuständig, sondern die Mitarbeiter in den Ordnungsämtern.
Leitstelle favorisiert die Polizei
Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss die Verwaltung auch 24 Stunden erreichbar sein. Ist sie doch schon, sagt Andrea Weise vom Ordnungsamt. Es gebe einen Bereitschaftsdienst. Der sei über die Leitstelle des Wittenberger Landratsamtes zu erreichen. „Das funktioniert“, heißt es in Lutherstadt. Hier treffen mehr als 50 Beschwerden - vor allem an den Wochenenden - pro Jahr zu nächtlichen Ruhestörungen aus Gräfenhainichen ein. Da bei diesen Fällen das Ordnungsamt zuständig sei, müsse theoretisch der Bereitschaftsdienst informiert werden. „Wir rufen aber meist bei der Polizei an. Das geht einfach schneller“, setzt die Leitstelle lieber auf sofortige Hilfe.
Günter Lönnig (Wählergemeinschaft Möhlau) hat da ganz andere Erfahrungen gemacht. „Als ich da angerufen habe, wurde mir erklärt man sei nicht zuständig. Aber ich kann mich wehren“, sagt der Ortsbürgermeister, der sich nicht sicher ist, dass jeder Einwohner solch ein Telefon-Duell meistert. Deshalb fordert der Möhlauer die Magdeburger Politiker auf: Hände weg von einer Polizei-Reform. Es werde mehr statt weniger Personal benötigt. Die „Wiedereinführung eines Ortssheriffs“ sei der richtige Weg, das Aufstocken des Ordnungsamtes der falsche. „Neueinstellungen können wir uns überhaupt nicht leisten“, betont Lönnig mit dem Hinweis auf die aktuelle Tariferhöhung.
Das sieht Kuhnert keinen Deut anders. Nach ihrer Auffassung müsse über eine neue Verwaltungsstruktur geredet werden - und möglicherweise auch über eine Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinaus. In Kemberg sprang die Polizei 2013 nachts 31 Mal fürs Ordnungsamt ein. „Wir haben am ,Stammtisch’ schon mit dem dortigen Bürgermeister Torsten Seelig darüber debattiert. Er ist zur Kooperation bereit“, so die Anwältin, für die die Zeit längst reif ist, dass die Einhaltung von städtischen Satzungen stärker kontrolliert werden sollte.
„Eventuell müssen wir dann doch über Neueinstellungen reden“, sagt Christel Lück. Allerdings sieht die Fraktionschefin der Linken im Moment keinen akuten Handlungsbedarf. „Wir müssen erst einmal sehen, wie in Magdeburg entschieden wird. Mit der Reform wurden ja auch so genannte Kontaktbereichsbeamte in Aussicht gestellt. Das wäre ja dann so eine Art Ortssheriff“, meint Lück.
Mitarbeiterin mit Knüppel auf Tour?
Schon vor einem Jahr schüttelte Gräfenhainichens Bürgermeister Harry Rußbült (Linke) ungläubig den Kopf. „Soll ich eine unter 1,60 Meter große Mitarbeiterin mit dem Knüppel losschicken?“, fragte das Stadtoberhaupt rhetorisch - und machte damit auf das nächste Problem aufmerksam: Verwaltungsangestellte sind nun mal keine Fachleute in Selbstverteidigung und Festnahme. In Dessau - im Gegensatz zu Gräfenhainichen nicht unbedingt ein Verlierer der neuen Polizei-Struktur - wird schon lange nicht mehr diskutiert. Die Vorbereitungen für einen Stadtordnungsdienst, der rund um die Uhr erreichbar ist und jederzeit zum Einsatz gerufen werden kann, laufen auf Hochtouren. Auch einzelne Fachbereiche wie das Umweltamt müssen nach Auffassung der Dessauer ständig erreichbar sein. „Wir werden“, sagt Ordnungsamtschefin Marlis Lindner, „uns als Stadt dem nicht entziehen können.“ Auf acht Stellen bezifferte Lindner den zusätzlichen Bedarf. Alles zusammengerechnet sorgt das Vorhaben für Zusatzkosten in Höhe von etwa 600 000 Euro.