Neubau in Wittenberger Altstadt Neubau in Wittenberger Altstadt: Jüdenstraße 9 hat ausgebacken

Wittenberg - Kann man etwas Positiveres über einen Neubau im Sanierungsgebiet Altstadt sagen? Es sieht aus, „als ob das Objekt schon immer hier so stand“, konstatiert Rando Gießmann. Dass Gießmann Geschäftsführer der kommunalen Wigewe und damit der Bauherr ist, schmälert das Urteil über die neue Jüdenstraße 9 nicht.
Details wie das originale Innungszeichen, der „Puppenkopf“ zur Töpferstraße hin und auch die hervortretenden markanten Umrahmungen von Fenstern und Türen, wie man sie in der Nachbarschaft häufig findet, machen den Neubau in der Tat zum Chamäleon.
500 Jahre Handwerk
Gut 1,2 Millionen Euro hatte die Wigewe in die Hand genommen, um mit Hilfe des Wittenberger Architektenbüros „bc“ die Lücke zu schließen, die sich nach dem Abriss der Bäckerei hier aufgetan hatte. Einer Bäckerei übrigens, die - freilich in wechselnden Gebäuden - Gießmann zufolge schon seit fast 500 Jahren an exakt dieser Stelle ihren Standort hatte, 1990 aber war dann endgültig Feierabend am Backofen.
Die neuen Mieter befassen sich mit geistigen Dingen. Für den Lutherischen Weltbund (LWB) hat die Umzugswoche begonnen. Für zehn Jahre - mindestens - hat sich die weltweite Vertretung von 74 Millionen evangelischer Christen nun mit einem Büro auf die Lutherstadt festgelegt. Gerade ist am alten Sitz direkt nebenan ein Seminar mit Geistlichen aus rund 20 Ländern zu Ende gegangen, dies habe man für den Umzug natürlich berücksichtigt, sagt Inken Wöhlbrand, die neue Leiterin des Wittenberger LWB-Büros, denn ganz so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt - jeder trägt mal eben kurz ’ne Kiste über die schmale Töpferstraße? - ist es dann doch nicht.
Donnerstag komme sogar ein Möbelwagen, so Wöhlbrand, schon allein für den Fall, dass es regnet. Von ihrem Büro aus wird sie selbst einen guten Blick über die Jüdenstraße haben - und auf die Fleischerei gegenüber. Der Haupteingang des LWB bleibt in der Töpferstraße.
Auch ein Stockwerk höher bereiten sich Menschen auf den Einzug vor. Robert und Kathy Moore, Abgesandte der ELCA, ziehen quasi als Untermieter beim LWB mit ein. Seit rund drei Jahren schon ist das Ehepaar im Auftrag ihrer Kirchenvereinigung aus den USA inzwischen in Wittenberg aktiv, als Nachfolger der bekannten Godsell-Myers.
Er habe schon in Stadt- und Schlosskirche gepredigt, berichtet Pfarrer Robert Moore, allerdings hoffe man künftig noch besser auf sich aufmerksam machen zu können. Zwar werden sie weiter in Leipzig wohnen bleiben, wo sie neben Wittenberg ebenfalls arbeiten, drei bis viermal pro Woche würden sie allerdings hier sein. Noch stehen sie in leeren Räumen, am gestrigen Mittwoch aber sollte die Küche kommen.
Pfarrer aus Nebraska
Denn zur ELCA-Etage gehört auch eine Wohnung. Der erste Nutzer hat sich für den 25. April angekündigt, der Pfarrer aus Nebraska wird nach Auskunft der Moores für zweieinhalb Monate in der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek im Schloss forschen. Von seinem Wohnzimmer - mit „amerikanischer“ Küche - hat er Zugang zu einer großen Terrasse. Über eine solche verfügt auch der LWB im Erdgeschoss, bei der kleinen Besichtigungstour am vergangenen Dienstag freute man sich schon mal auf sommerliche „Dienstbesprechungen“ dort.
Das Haus Jüdenstraße Nummer 9 wird aber nicht nur ein kirchliches Bürohaus sein. Seit einigen Wochen bereits sind die beiden Wohnungen in den oberen Etagen bezogen, fröhliches Kindergeschrei tönt durchs Treppenhaus. „In die Wohnung“, sagte die leicht gestresste Mutter im Türrahmen freundlich zur MZ, „lasse ich Sie jetzt aber nicht.“ Macht nichts. „Im Haus wird gearbeitet und gelebt“, zeigte sich Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) bei der Hausbesichtigung erfreut, dies wünsche er sich überall in der Altstadt.
Das offizielle Einweihungsfest ist für den 5. Juli vorgesehen, kündigte LWB-Direktorin Wöhlbrand am Dienstag schon mal an. Dann auch auf der Terrasse.
(mz.)

