Nach der Europawahl Nach der Europawahl: Arne Lietz , unser Mann in Brüssel

wittenberg/MZ - Statt Berlin also Brüssel, auch nicht schlecht. Nach seiner gescheiterten Bundestagskandidatur im Herbst vertritt der Sozialdemokrat Arne Lietz nun (auch) Wittenberger Interessen im Europaparlament. Nach dem Rückzug der ursprünglich vorgesehenen Kandidatin aus Sachsen-Anhalt war der 37-Jährige auf Platz 24 der SPD-Bundesliste vorgerückt, das reichte am 25. Mai für Sitz und Sieg. Lietz ist damit einer der 30 Neuen unter den 96 deutschen Abgeordneten, die nun die Bundesrepublik in Brüssel vertreten, und er ist in diesen Tagen vollends damit beschäftigt, im Parlament Fuß zu fassen.
Parcours durchs Haus
Standen am Montag, als die MZ mit ihm telefonierte, vergleichsweise profane Dinge auf der Tagesordnung wie ein Parcours durchs Hohe Haus, bei dem Themen wie Hausausweis, Passwörter, Krankenkasse etc. behandelt wurden, ist für Dienstag, im Rahmen der „Parteienfamilie“ der Sozialdemokraten, ein Gespräch mit Martin Schulz anberaumt, dem Gegenspieler und/oder Unterstützer von Kommissionspräsident in spe Jean-Claude Juncker. „Merkel“, sagt Lietz staatsmännisch, „agiert hier taktisch sehr geschickt.“ Es sei „spannend, mitten im Geschehen zu sein“, sagt der EU-Neuling, und das mag man ihm sofort glauben.
Und Mittwoch ist er wieder in Wittenberg, im „freundlichen Rathaus“, von dem er sich europabedingt ein paar Tage Urlaub genommen hatte und wo er noch bis zum 1. Juli, seinem ersten Tag als Europaabgeordneter, tätig sein wird. In der Lutherstadt bekleidete Lietz neben seiner Aufgabe in der Stadtverwaltung, wo er als Referent des Oberbürgermeisters für das Reformationsjubiläum tätig war (und formal auch noch ist), allerdings noch ein weiteres wichtiges, wenn auch rein repräsentatives Amt: Er ist der Hauptdarsteller des Jubiläumsstadtfestes „Luthers Hochzeit“, dessen 20. Auflage im vergangenen Jahr mitsamt Luther Lietz ins Hochwasser fiel. Diese Aufgabe werde er, Brüssel hin oder her, auch wahrnehmen, bekräftigte er am Montag. Was weitere Repräsentationstermine in der historischen Rolle angeht, werde man sehen. Eine Pflicht ist die Lutherdarstellung auch an anderen Terminen im Jahr schon seit einiger Zeit nicht mehr, so Peter Pajak vom Verein „WittenbergKultur“, man frage aber an.
Büro in Magdeburg
Überhaupt habe er nicht die Absicht, der Lutherstadt den Rücken zu kehren, erklärte Lietz. Er begebe sich gewissermaßen „auf Montage“, sagte der Sozialdemokrat, und werde seinen Wohnsitz in Wittenberg beibehalten. Neben einem weiteren in Magdeburg werde er auch sein Büro dort einrichten. Das Thema 2017 wolle er indirekt auch in Brüssel bzw. Berlin weiter beackern, kündigte er unter Bezug auf den Europa-Ausschuss des Bundestages an. Welche Themengebiete, welche Ausschüsse im Europaparlament ihm zugedacht werden, sei dagegen noch offen: „Wer neu ist, muss sich hinten anstellen“, zitiert Lietz hier seinen bekannten Parteifreund Franz Müntefering; „internationale Politik“ wäre ihm freilich am liebsten.
Interfraktionelle WG
Fürs erste ist Lietz im nicht eben preiswerten Brüssel bei Freunden untergekommen. Vielleicht mache er eine WG auf mit anderen Abgeordneten, da könne man dann auch gleich noch etwas lernen. Eine Anfrage hat er schon, ja, ein Parteifreund, er wäre aber auch offen für ein Zusammenleben mit Abgeordneten anderer Parteien. Besonders anspruchsvoll sei er ohnehin nicht, sagt er. Wie das so ist auf Montage.