Mutter Deutsche, Vater Jordanier Mutter Deutsche, Vater Jordanier: Hartmut El Kurdi erzählt vom Parallel-Universum

Wittenberg - Wie darf man sich den Orient vorstellen? Treffen die Klischees zu?
Mit Marhaban (Hallo) begrüßt Hartmut El Kurdi seine Zuhörer in der Evangelischen Akademie. Filmsequenzen mit Bildern aus Jordanien bilden den Auftakt. Hinzu kommen orientalische Klänge, untermalt mit kurzen arabischen Sätzen, die das Publikum rasch in eine ferne kulturelle Welt versetzen – eine Welt, die zur Biografie El Kurdis gehört.
Nun erfährt man am persönlichen Schicksal des studierten Kulturwissenschaftlers, Buchautors und Theatermachers jene spannende Migrationsgeschichte, die ganz speziell, aber auch exemplarisch für viele Menschen mit Migrationshintergrund steht.
Als Sohn einer Deutschen und eines jordanischen Offiziers erlebte El Kurdi (Jahrgang 1964) mehrere Kulturkreise, die ihn für sein Leben prägten.
Ausreise nach England
Die Mutter Luzi (Jahrgang 1924) verlässt arbeitslos und perspektivlos 1946 Deutschland in Richtung England. Als Dienstmädchen erlernt sie zunächst die fremde Sprache.
Deutsche werden damals auf der britischen Insel nicht gern gesehen, denn noch wiegt der zurückliegende Krieg schwer im kollektiven Gedächtnis. Sie lernt den jordanischen Offizier Mahmoud El Kurdi in England kennen. Die Liebe führt beide zusammen. Sie heiraten.
Hartmut wird 1964 in Amman/Jordanien geboren und wächst in einem arabisch geprägten Umfeld auf. Aber auch westliche Einflüsse gehören zu seinem Leben. Einige Jahre Aufenthalt in England – sein Vater ist dort jordanischer Militärattaché – prägen ihn.
Wie schwer es ist, als Deutsche mit jordanischem Pass ins Geburtsland zurückzukehren, auch das beschrieb El Kurdi. Es dauerte anderthalb Jahre, ehe die Genehmigung stand. Dazu gehörten Sprach- und Rechtschreibtest für in Deutschland geborene Muttersprachler.
„Ein Polizist mit oberhessischem Dialekt, kaum des Hochdeutschen mächtig, nahm das Ganze ab und leitete das Verfahren weiter“; schilderte El Kurdi nicht ohne Humor diesen Auswuchs von Bürokratie. Seine glückliche Kindheit, die er nicht missen möchte, verbrachte El Kurdi in einem hessischen Dorf.
Hartmut El Kurdi versteht es auf unterhaltsame Weise, mit Entertainerqualitäten etwas zu schildern, was das Hören dieser Biografie so interessant und kurzweilig macht. Gern greift er während seines Vortrags zur Gitarre. Die arabischen Musikeinflüsse sind dabei unüberhörbar. Es muss wohl in den Genen liegen. Wie man erfährt, zählen zur jordanischen Verwandtschaft profilierte Musiker.
„Wo liegen meine Wurzeln“? Immer wieder hatte sich El Kurdi diese Frage gestellt und begonnen zu recherchieren. Da ist der kurdische Zweig der Familie aus dem Nordirak, da sind die Tscherkessen (Kaukasus), aber auch der nordhessische Familienteil der Mutter El Kurdis.
Über seine in England lebende Cousine Ragna dringt er in die „Geheimnisse“ der weit verzweigten Familie ein. Wenn dann El Kurdi in seinem Vortrag wiederholt von seinem „familiären Parallel-Universum“ spricht, können die Zuhörer diesem Begriff durchaus zustimmen.
Filmprojekt vorgestellt
Die Regisseurin Ulrike Willberg vom Staatstheater Hannover und zugleich Lebenspartnerin El Kurdis hatte diesen darin bestärkt, aus seinen Erkenntnissen ein Filmprojekt entstehen zu lassen. Das gelingt. Wittenberg darf davon die Kurzversion erleben.
Interessiert lauschte Cordula Krol aus Wittenberg den Ausführungen El Kurdis unter dem Titel „Home.Run – Eine grenzverletzende Familiensaga“. Sie zählt zu denjenigen, die sich mit syrischen Frauen regelmäßig zu lockeren Gesprächen trifft.
Dazu zählt auch das Üben der deutschen Sprache. Nicht nur Stadtrat Horst Dübner lobte am Ende den Vortrag zu dieser einmaligen Familiensaga. Vizelandrat Jörg Hartmann sparte ebenso nicht mit Komplimenten. Am Ende bleibt der weise Satz von Gottfried Herder: „Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.“ Ganz im Sinne von Hartmut El Kurdi, einem wahren MultiKulti in des Wortes Sinne.
(mz)