Mitteldeutscher Verkehrsverbund Mitteldeutscher Verkehrsverbund: Kreis Wittenberg zögern mit Beitritt

Wittenberg/MZ - Verbund oder kein Verbund? Vier Jahre, nachdem der Mitteldeutsche Verkehrsverbund vom Landkreis Wittenberg schon einmal eine Abfuhr erteilt bekommen hat, versucht er es jetzt erneut: Wittenberg soll beitreten, damit Bus- und Bahnkunden mit nur einem Ticket von Zahna bis ins Altenburger Land fahren können.
Im 2001 gegründeten MDV sind mittlerweile die fünf Landkreise Altenburger Land, Landkreis Leipzig, Burgenlandkreis, Saalekreis und Nordsachsen sowie die Städte Halle und Leipzig organisiert. Das Verbundgebiet erstreckt sich über Teile Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens und hat eine Fläche von etwa 8 000 Quadratkilometern. Insgesamt sind im aktuellen Verbundgebiet etwa 30 verschiedene Verkehrsunternehmen vertreten. Das Angebot umfasst Busverbindungen, Straßenbahnlinien und auch Nahverkehrszüge. Völlig unabhängig vom MDV ist die Einrichtung einer S-Bahn-Linie von Leipzig bis Wittenberg. Ende 2015 sollen die neuen Züge im Auftrag der Nahverkehrsgesellschaft fahren - in der schon jetzt einstündigen Taktung.
Auf einer Fläche von 8 000 Quadratkilometern gäbe es dann ein einheitliches Tarifsystem.
Schlechter Kosten-Nutzen-Faktor
Fragt man den Praktiker, klingt es nach: kein Verbund. „Die Kosten-Nutzen-Rechnung ist nicht sehr gut“, sagt Holger Zubke, der Fachbereichsleiter für Öffentlichen Personennahverkehr in der Wittenberger Kreisverwaltung. Als dem MDV schon einmal abgesagt worden war, ging es vor allem ums Geld. Über 400 000 Euro hätte den Kreis damals die Mitgliedschaft im MDV gekostet. Andererseits: 2007 waren die Pendlerstrukturen im Kreis untersucht worden. Gerade einmal zwei bis fünf Prozent der Bus-Nutzer bräuchten solche Regionaltarife überhaupt.
Die Prozentzahlen sind geblieben, was die Mitgliedschaft im MDV aktuell kosten würde, steht dagegen nicht fest. „Wir haben noch keine Zahlen“, sagt Zubke. Am 4. Februar soll es ein Treffen mit anderen Kreisen und dem MDV geben. „Ich lasse mich gern überraschen“, sagt Zubke. Optimistisch klingt das nicht.
Das gilt allerdings auch für Stimmen aus den anderen Kreisen. „Das Thema kommt immer mal wieder hoch“, sagt Torsten Ceglarek. Doch die Skepsis ist beim Chef der Dessauer Verkehrsgesellschaft unüberhörbar. Denn mit dem Beitritt zum MDV gibt die Stadt ihre Fahrpreisstruktur auf. „Wir müssen Rabatte gewähren, ohne zu wissen, ob wir die ausgeglichen bekommen.“
Genau diese Kosten machen den Verbund für die Kreise nicht zwingend günstiger. Denn wenn zum Beispiel der Neue Wittenberger Busverkehr für dieselbe Strecke einen höheren Tarif verlangt als der MDV, gilt für den Kunden das günstigere Angebot. Die Differenz müsste dann im Zweifel aber der Landkreis zahlen. Schließlich hätte er den Beitritt beschlossen. „Der Kreistag muss wissen, ob er es will“, sagt Zubke. Am Ende werde diese Frage nicht in der Verwaltung entschieden. Das ist etwas für die Politik. Wann, ist noch offen.
Rechtliches scheint geklärt
Dafür scheinen - im Gegensatz zum Vorstoß vor vier Jahren - die rechtlichen Fragen geklärt zu sein. Damals hatte man in der Verwaltung Bedenken, ob man die Busunternehmen überhaupt in den Verbund zwingen kann. „Inzwischen ist der Nahverkehrsplan geändert“, sagt Zubke. Und da ist nun die Mitgliedschaft in einem Verbund durchaus auch als Möglichkeit vorgesehen. Wittenberg ist laut Zubke sowieso einer der letzten Kreise ohne Verbund-Mitgliedschaft. Der Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg-Tarif, der auf bestimmten, kreisübergreifenden Strecken gilt, fällt jedenfalls nicht unter diese Definition.
Von Wittenberg wiederum will Anhalt-Bitterfeld seine Entscheidung abhängig machen. Sollte es dort mit dem MDV zu einer Einigung kommen, werde man neu an das Thema herangehen, sagt Udo Pawelczyk, Sprecher des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. „Sonst warten wir ab.“ Freudig klingt das auch nicht. Entsprechend knapp ist die Reaktion des MDV. „Wir werden das Gespräch suchen“, kündigt Sprecher Matthias Neumann an. Dabei wolle man nicht nur an Wittenberg, sondern auch an Dessau-Roßlau und Anhalt-Bitterfeld herantreten. Die Ergebnisse seien auch hier noch völlig offen.
S-Bahn kommt auch ohne MDV
Dass der MDV nun wieder um Mitglieder wirbt, hat wohl auch mit dem neuen City-Tunnel in Leipzig und der S-Bahn-Anbindung des Umlands zu tun. Bis Bitterfeld reicht die Strecke schon, Ende 2015 wird Wittenberg angeschlossen. Allerdings ist die Mitgliedschaft keine zwingende Voraussetzung dafür. „Der Anschluss wird so oder so kommen“, versichert der Pressesprecher der Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt (Nasa), Wolfgang Ball. Der Haken: S-Bahn klingt nur besser als Regionalbahn. „Die Taktung wird sich nicht wesentlich verändern“, so Ball. Immerhin werden dann wohl auch neue Züge auf der Strecke eingesetzt. Aber selbst die Frage, ob die durch den neuen Tunnel bis in die Leipziger Innenstadt fahren oder wie schon jetzt am Hauptbahnhof halten, ist völlig offen - und wieder unabhängig von einer MDV-Mitgliedschaft.