Minecraft im Johanniterhaus Minecraft im Johanniterhaus: Zocken für die Demokratie

Wittenberg - So mancher Teilnehmer schaut erst einmal fragend auf die Aufgabenliste, die am Samstagvormittag an der Wand hängt. Eine Burg mit Türmen soll entstehen, mit Graben, Speisesaal und weiteren Details.
Jovanka schüttelt den Kopf. Das alles in zwei Stunden? „Viel zu wenig Zeit, das sieht man schon bei der Aufgabe“, sagt die 14-Jährige. Aber sie ist nun mal die absolute Chefin ihrer Gruppe, in der es laut Regelwerk diktatorisch zugehen soll. „Und ich habe Minecraft schon mal gespielt.“
Diktator kontra Bürgermeister
Hinter der Trennwand im Johanniterhaus sitzt zur gleichen Zeit eine weitere Gruppe. Jascha, zwölf Jahre alt, ist ebenfalls kein absoluter Neuling. Er ist Bürgermeister seines Teams, das in Mehrheitsbeschlüssen die Aufgaben verteilt und angeht. Auch hier heißt die Aufgabe: Baue eine Burg.
Tobias Thiel ist gespannt. Wer baut schneller seine Burg - eine Gruppe in diktatorischer oder eine in demokratischer Regie? Doch so mancher der Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren, fragt sich: Was, bitteschön, ist Minecraft?
Das beliebte Klötzchen-Aufbauspiel ist einfach erklärt und gelernt. Doch „Computer spielen und Demokratie lernen“, so der Titel, entpuppt sich als mehr als nur ein Zockerwochenende. Eingeladen hat die Evangelische Akademie gemeinsam mit der Johanniter-Jugend, die Gruppenprozesse erlebbar machen will.
Die Jugendlichen, so Tobias Thiel, Studienleiter für gesellschaftliche Jugendbildung, sollen sich zusammenfinden, Aufgaben einteilen und die Arbeit in den sechs bis sieben Leute starken Gruppen organisieren.
Diese Gruppen sind alles andere als homogen. Die Teilnehmer kommen aus Deutschland und aus anderen Ländern. Maximilian aus Wittenberg ist dabei, weil seine Freunde das Wochenende organisiert haben. „Jeder hat seine Aufgabe, einige sammeln Rohstoffe oder hacken Holz, andere bauen“, erklärt er das arbeitsteilige Prinzip im Mehrspieler-Modus.
Dass man sich auch mal zoffe, sei normal, findet Valeria. „Das ist ja der Reiz, es ist ein Gemeinschaftsspiel.“ Abdul Rahman, der vor viereinhalb Jahren aus der syrischen Hauptstadt Damaskus kam, hat Minecraft noch nie gespielt, er ist lieber mit Freunden auf dem Fußballplatz. „Ich konnte mir dieses Spiel gar nicht richtig vorstellen.“ In der Gruppe mache es Spaß, „allein ist es wohl eher langweilig“.
Für Tobias Thiel ist es interessant zu sehen, wie sich die Gruppen organisieren und was sie daraus lernen. Dass die „Demokraten“ beim Burgenbau effektiver ist, könne auch Zufall sein. „Demokratie mag nicht die beste Lösung sein, aber wenn sie funktioniert, nimmt sie die meisten Leute mit“, erklärt Thiel.
Tatsächlich ist das Frustpotenzial in der Diktatur groß, Jovanka als Herrscherin wider Willen hat Mühe, die Gruppe zusammenzuhalten.
Reden ist wichtig
Überrascht ist Studienleiter Thiel, dass Teilnehmer dabei waren, die das Daddeln am Computer nicht unbedingt als Freizeitbeschäftigung favorisieren.
„Das ist schon interessant. Da lädt man die Leute zum Computerspiel ein und dann wollen einige gar nicht.“ Viel besser hätten Gespräche und „analoge“ Spiele funktioniert wie etwa Scharade. Danach hätten die Spieler erfolgreich eine weitere Runde gezockt.
Es soll weitergehen mit Minecraft in der Jungen Akademie. Thiel: „Aktuell sind wir beteiligt am Minecraft-Adventskalender. Anfang der Sommerferien gibt es wieder ein Minecraft-Camp.“ (mz)