Mehrgenerationenspielplatz Mehrgenerationenspielplatz : Jetzt auch ganz offiziell

Wittenberg - Kleine Schweißperlen glitzern auf dem Gesicht der 79-Jährigen. Sie wohne gleich um die Ecke, berichtete die Seniorin, ohne die Bewegung an der Beinkurbel auch nur eine Sekunde zu unterbrechen. Da könne sie jetzt praktischerweise ja jeden Tag herkommen, wenn sie will. Und heute will sie das mal. Nicht nur sie. Eine ganze Gruppe älterer Damen, auch der eine oder andere Mann darunter, demonstrieren an diesem sonnigen Nachmittag eines sonst wolkenverhangenen Tags, dass es offenkundig eine gute Idee war, bei der Umgestaltung des Spielplatzes an der Willy-Lohmann-Straße Senioren und Familien gleich mitzubedenken.
Die Fitnessgeräte jedenfalls sind sofort besetzt mit plauschenden Seniorinnen, auch weil dort Schatten ist, klar. Einige von ihnen gehören zu einer Gruppe, die Birgit Maßny vom Nachbarschaftstreff begleitet hat zu diesem kleinen Fest im Herbst. Der Nachbarschaftstreff an der Dessauer Straße war Teil der „Experten“ aus der Bürgerschaft, Kindern und Alten aus der Nachbarschaft, dank deren aktiver Einbeziehung in Form zweier Workshops die Stadt und die von ihr beauftragten Planer den ersten echten Mehrgenerationenplatz in der Lutherstadt gebaut haben.
Mehr Spielgeräte und kleine Rutsche
Maßny bringt das mal wieder Dank und nebenbei einen kleinen „Blumenstrauß“ aus Luftballons vom Oberbürgermeister ein. Die Dame mit den keck flatternden schwarzen Hutfedern, die schnöde Ballons in jedwede Gestalt biegen kann, ist eine der Attraktionen auf der Veranstaltung, mit der die Stadt nun nach den Ferien nachholt, was de facto bereits vor wenigen Wochen über die Bühne gegangen ist: die Eröffnung. Es gibt eine Märchenerzählerin, Schminken und Hüpfbälle, sehr beliebt beim Nachwuchs, doch die Seilbahn, Spielhäuschen, die neue Rutsche und der Balancierparcours müssen sich nicht verstecken, wenn der Lautsprecherwagen mit den dröhnenden Gute-Laune-Hits und das Coffeebike wieder abgezogen sein werden. „Super“ findet etwa Madlen Würker den Spielplatz, während ihre zweijährige Tochter Jolien munter kleine Kieselsteinchen sortiert. Mehr Spielgeräte gebe es jetzt, lobt die Mutter, und die neue kleine Rutsche sei weniger riskant als das ältere Modell. Ein Hauch von Wohlgefallen legt sich über die kleine Festgemeinschaft, viele Stadträte sind darunter, und eine von ihnen, Angelika Canje (Linke) hat sogar ganz besondere Erinnerungen an diesen Ort im nicht allerhübschesten Fleckchen Wittenbergs. Hier, sagt sie und packt ein kleines Fotoalbum aus, hier stand mal meine Kita. Lange abgerissen, die Kinder waren irgendwann weniger geworden in West.
Die Anlage in Wittenberg-West ist die erste in der Stadt, die explizit als Mehrgenerationenspielplatz konzipiert wurde. Gelegentlich wird auch der (nach dem Starkregen vom 27. Juli wieder ordentlich hergerichtete) Spielplatz an der Elbstraße als solcher bezeichnet, das generationenübergreifende Element besteht dort allerdings aus Hängematten - also dem glatten Gegenteil von Fitnessgeräten. Der erste seiner Art im Landkreis Wittenberg ist der Spielplatz an der Willy-Lohmann-Straße ohnehin nicht: In der Kurstadt Bad Schmiedeberg gibt es bereits seit 2015 eine solche Anlage. Ob in Wittenberg noch weitere Mehrgenerationenspielplätze angelegt werden, hängt laut Stadt (neben dem Geld) von der Resonanz ab - die demografische Entwicklung ließe derlei freilich allemal wünschenswert erscheinen.
93.000 Euro hatte die Stadt zwischen April und Juni/Juli an der Willy-Lohmann-Straße in die Umgestaltung eines bereits bestehenden Spielplatzes investiert. Zwei Drittel der Summe stammen aus dem Förderprogramm „Soziale Stadt“, der Rest aus dem eigenen Haushalt. Der Mehrgenerationenspielplatz ist ein weiterer Beitrag zur Aufwertung des lange von Überalterung bedrohten Viertels.
Und die Elternpaare, die hier vor vielen Jahrzehnten einzogen, sind heute selber schon alt, wie Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) in seiner kleinen Festrede erinnert; er erinnert auch daran, was schon getan wurde und was noch getan werden muss im Viertel, damit der Mix zwischen Alt und Jung stimmt, zum Beispiel an den Straßen. An der vielfrequentierten „Seilbahn“ sitzt das Ehepaar Noack. Sie wohnen nicht weit von hier und loben sehr, was entstanden ist. Einen „kleinen Tipp“, den Spielplatz betreffend, hätten sie dann aber doch: Mehr Bänke wären gut, sagt Barbara Noack. Und ein Notfallkasten, falls sich doch mal wer das Knie aufschlägt, findet Hans-Peter Noack. (mz)
