Probleme bei der Unterrichtsversorgung Mehr Klassen als Lehrer in Schulen des Kreises Wittenberg
An manchen Schulen im Landkreis Wittenberg ist die Lage kritisch. Zu nicht besetzten Stellen kommen Erkrankungen hinzu. Die Folge: Unterricht muss ausfallen.

Wittenberg/MZ - „Spitz auf Knopf“ nennt Tobias Ulbrich die Situation. Der Wittenberger, Vater dreier Kinder und engagiert als Elternsprecher, meint die Unterrichtsversorgung an den Schulen des Landkreises, das Riesenproblem Lehrermangel, das hinlänglich bekannt und mitnichten gelöst ist. Dass die Lage angespannt ist, verlautet immer wieder. Genaue Zahlen sind schwierig zu bekommen. Dass sie die nicht nennen dürften, heißt es in Schulen bisweilen auf Nachfrage.
Hinter vorgehaltener Hand ist an mancher Sekundarschule von rund 80 Prozent Unterrichtsversorgung die Rede. 103 Prozent sollten es bekanntlich sein, um etwa Erkrankungen auszugleichen.
Erhebliche Unterschiede
Dabei gibt es offenbar erhebliche Unterschiede, sprich Schulen mit offenen Stellen und solche mit ausreichend Personal. In der Grundschule Pratau beispielsweise hieß es bei der Einweihung des neuen Hauses, dass keine Lehrer fehlen. In der Grundschule Trebitz sieht das anders aus. Zeitweise haben dort drei Lehrer vier Klassen unterrichtet, fünf Planstellen sind vorhanden.
Ulbrich sagt aus eigener Erfahrung, dass Unterricht manchmal ausfällt, dass Eltern gebeten werden, ihre Kinder möglichst zuhause zu behalten. In anderen Fällen werde Betreuung angeboten, was aber auch an fehlenden pädagogischen Mitarbeitern scheitern kann. Er berichtet von einer Grundschule im Kreis, wo seit Monaten kein Englischunterricht stattfinde. „Man muss sich Sorgen machen.“ Er meint die Bildung für den Nachwuchs. Im Übrigen sei es auch für Elternvertreter nicht selten kompliziert, an konkrete Informationen zu gelangen.
An der Wilke-Sekundarschule in Coswig räumt Detlef Gutsche unumwunden ein, dass die Lage schwierig ist: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als Klassen tageweise zu Hause zu lassen. Wir haben phasenweise mehr Klassen als Lehrer.“ Konkrete Zahlen zur Unterrichtsversorgung will auch der Coswiger Schulleiter nicht nennen, allerdings sagt er, dass zum einen Stellen nicht besetzt sind: „Englisch fehlt hinten und vorne. Und jetzt geht es langsam in die Naturwissenschaften.“ Wenn dann noch Lehrer krankheitsbedingt ausfallen, werde es eng. Gutsche: „Wir schreiben ständig Vertretungspläne neu. Und wir müssen natürlich vorsichtig sein, die Leute, die noch da sind, nicht allzu sehr zu überfordern.“ Ohne Quereinsteiger gehe schon länger nicht mehr viel, betont der Schulleiter: „Ich bin froh, dass ich sie habe. Sie machen einen guten Job.“ Was er hinzufügen möchte: „Wir kämpfen. Es sind Wunsch und Wille da, einen qualitativ hochwertigen Unterricht anzubieten. Aber es geht an die Substanz.“
Dass inzwischen auch Gymnasien nicht frei sind von Personalsorgen, bestätigt der Leiter des Cranach-Gymnasiums, Bernd Ludlei. „Wir sind in der Lage, den Kernunterricht abzudecken“, sagt er zur MZ. Sobald Erkrankungen auftreten, werde es aber schwer. „Wir müssen manchmal die Eltern informieren, dass Unterricht ausfällt.“ Die Schüler würden dann stundenweise betreut, „selbstorganisiertes Lernen“ heiße das Stichwort. Ludlei spricht von drei Stellen, die am Piesteritzer Gymnasium derzeit nicht besetzt seien. „Es fehlt an Naturwissenschaftlern.“ Der erfahrene Pädagoge weist darauf hin, dass er schon vor zehn Jahren erklärt habe, „was da auf uns zukommt. Ich kenne doch die Altersstruktur.“ Inzwischen sei die Lage bundesweit kritisch - und natürlich insbesondere in Regionen, die nicht so nachgefragt sind.
Aber, wie bereits erwähnt, es gibt auch die anderen Beispiele. Etwa die Sekundarschule in Kemberg, wo Jürgen Preuschoff zufrieden sagen kann: „Wir müssen hier kein Fach kürzen. Es gibt eine gute Unterrichtsversorgung.“ Die Kemberger seien sogar in der Lage, Lehrer an benachbarte Schulen abzuordnen - in den Fächern Geographie und Ethik. Preuschoff fügt indes hinzu: „Das ist eine Momentaufnahme.“
Ein Gefühl der Ohnmacht
Daniel Kemp, der Vorsitzende des Kreiselternrates, nennt den Lehrermangel im Landkreis eines der „brennendsten Themen“ in Sachen Schule. Daran gekoppelt sei die lückenhafte Unterrichtsversorgung und „das Gefühl der Ohnmacht in den Schulen, obwohl die Lehrkräfte und die Schulleitungen alles möglich machen, um den Unterricht abzudecken, aber stark an ihre Grenzen kommen“. Durch vermehrte Renteneintritte werde sich die Lage verschärfen.
Kemp sagt: „Ich bin fest überzeugt, dass wir künftig Schule anders denken müssen. Weg vom Verwaltungsdenken der Behörden, hin zum Gestaltungsdenken der Fachkräfte vor Ort! Jeden Schulstandort individuell betrachten und eigene Konzepte dafür entwickeln, um den Situationen vor Ort gerecht zu werden.“