"Luthers Hochzeit" in Wittenberg "Luthers Hochzeit" in Wittenberg: Das Spektakel beginnt

WITTENBERG/MZ - Endlich, endlich ist wieder Stadtfest. In Erwartung der Ehrengäste ziehen alle zum Rathaus: Landsknechte, Bauern, Botenläufer. Gäste aus Dänemark und Ungarn, aus Bretten und einem fernen Land, das bei seiner Gründung USA heißen wird. Das Jahr Zwangspause nach dem Hochwasser ist überstanden, jetzt heißt es feiern, was das Zeug hält. Das Volk sehnt sich nach Unterhaltung, nach reichlich ungesundem Essen und viel Getränk, nach Wortgefechten mit Ablassverkäufern, dem Gebimmel der Schellen an den Fußgelenken und drei Tagen Schlafen im Zelt, Katzenwäsche inklusive.
Pünktlich scheint die Sonne
Zwei Stunden vor dem offiziellen Beginn schauen Händler wie mittelalterlich Gewandete jedoch skeptisch gen Himmel. Aus dem Tröpfeln ist doch etwas stärkerer Regen geworden. Doch die Vorhersage verspricht: Es wird wieder trocken. Und tatsächlich, als die Nonnen auf den Markt rollen, lugt die Sonne heraus. „Nach dem letzten Jahr, wenn es so ins Wasser fällt, haben sie es sich verdient“, sagt Angela Meyer, die gemeinsam mit Ehemann Jens-Uwe aus Rethem an der Aller die Zeremonie vor dem Rathaus verfolgt. Die beiden wollten im vorigen Jahr in einer größeren Gruppe mit Bus kommen, doch dann war das Fest ausgefallen.
Das evangelische Paar, 52 und 50 Jahre alt, sieht „Luthers Hochzeit“ zum ersten Mal. „Wir haben aber schon die halbe Verwandtschaft mit der Luther-Socke ausgestattet“, erzählt Angela Meyer. Nun sind sie mit dem Wohnwagen aus Niedersachsen angereist und zeigen sich begeistert angesichts des bunten Treibens, das gerade erst begonnen hat und am frühen Freitagabend noch etwas auf Sparflamme köchelt. Als die Fanfaren vom Altan des Rathauses den Beginn ankündigen, brandet Beifall auf. Der Wittenberger Fanfarenzug trommelt, während die Vereine sich zur Begrüßung aufstellen. Fahnenschwinger, Lanzenträger, Menschen in feinem Stoff oder grobem Leinen lassen erahnen, was bis Sonntag in den Straßen los sein wird. Und dann kommen sie, die Nonnen, geflüchtet aus dem Kloster Nimbschen, versteckt hinter Heringsfässern des Kaufmanns Leonhard Koppe. Alle neun edlen Damen stellt Herold Jürgen Simon vor. „Kommt, Bürger und die, die ihr von nah und fern angereist seid.“ Es gebe genug zu essen und zu trinken - wenn der Gast bereit sei, einen guten Batzen Bares zu zahlen.
Jetzt endlich beginne das seit zwei Jahren angekündigte Fest, lädt auch Bürgermeister Christian Beyer (Oberbürgermeister Eckhard Naumann, SPD) die Menschen zum Feiern ein. „Kein Wässerchen soll es trüben“, verspricht er. „Die Zinnen der Stadt sind geputzt, die Straßen sogar gefegt. Vergesst die Plagen des Alltags.“ Und dann spricht das Stadtoberhaupt jene Worte, auf die alle so lange gewartet haben: „Das Spektakel soll beginnen.“ Jubel brandet auf.
Der Kranz ist oben
Die Botenläufer ziehen den Hochzeitskranz in die Höhe. Dort wird er bis Sonntag künden, dass Luthers Hochzeit gefeiert wird. Angela und Jens-Uwe Meyer sind sichtlich angetan. Sie wollen alle drei Tage in Wittenberg erleben, lassen sich noch kurz einige Schauplätze erklären. Ganz sicher werden sie am Sonnabend beim Umzug mitjubeln. Das Honigbier auf dem Markt haben sie schon mal sichtlich genossen. „Besser als erwartet“, ist Meyer überrascht. So ist das in Wittenberg. Bei der großen Hochzeit gibt es immer nur das Beste.
